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Sturm

Sturm

Titel: Sturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Kern
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»das wird nicht nötig sein.«
    Er verbeugte sich. »Mefrouw.«
    Ana sah ihm nach, als er zum Stall ging und kurze Zeit später mit ihrer grauen Stute und zwei weiteren Pferden zurückkehrte.
    »Es gibt viele Vorräte hier«, sagte er auf ihren fragenden Blick. »Wir werden ein Packpferd brauchen.«
    Ana blickte in den Sternenhimmel. Es hatte aufgehört zu schneien. »Und dann? Was machen wir dann?«
    Er reichte ihr die Zügel der Stute. »Ihr kennt meine Meinung. Zurück über den Pass, zum Hafen und dann auf ein Schiff nach Süden.«
    Keiner kann die Somerstorms leiden, hatte Rink gesagt. Seine Worte hallten in Anas Geist nach. Sie dachte an Fürst Otar, an die Beleidigungen, die er ausgestoßen hatte, und an die schadenfrohen Blicke von den anderen Tischen.
    Keiner kann die Somerstorms leiden.
    »Nein.« Ihr Blick kehrte von den Sternen zurück zu Jonan. »Ich werde nicht weggehen. Ich will ein Dorn im Fleisch von all denen sein, die uns belogen und hintergangen haben. Sie sollen mich nicht vergessen, sondern mich hassen, wie sie meinen Vater gehasst haben. Das ist mein Erbe. Ich werde es antreten.«
    »Wie?«
    Der Plan, über den sie seit Tagen vage nachgedacht hatte, nahm Klarheit an. »Wir werden heimlich nach Westfall reisen. Dort werde ich mein Überleben bekannt geben«, sagte sie. »Ich werde Rickard heiraten, eine Armee aufstellen und mit seiner Hilfe Somerstorm zurückerobern. Kein Fürst wird es wagen, sich Somerstorm anzueignen, wenn es noch eine rechtmäßige Erbin gibt, die mit Westfall verbunden ist.«
    Jonan schwieg. Vielleicht dachte er an die mehr als ein Dutzend Fürstentümer, die sie durchqueren mussten, vielleicht an die Länge der Reise oder an die Belohnung, die er bekommen würde, wenn er Ana verriet.
    Aber er stellte nur eine einzige Frage: »Könnt Ihr Rickard wirklich vertrauen?«
    Sie zögerte nicht. »Ja. Kann ich dir vertrauen?«
    »Ich habe geschworen, Euch zu beschützen.«
    »Ein gebrochener Schwur lässt sich mit Gold leicht vergessen.«
    Er drehte den Kopf zu der geschlossenen Tür der Hütte. »Die Männer, die hier gestorben sind, hatten Familien, die sie ernähren mussten, oder Wünsche, denen sie nachjagten. Sie brauchten das Gold. Ich habe nichts außer meinem Schwur, und ich will nichts außer Eurer Sicherheit. Gold hat keine Bedeutung.«
    Ana hatte das vage Bedürfnis, sich bei ihm zu entschuldigen, doch das wäre unangemessen gewesen.
    »Dann ist es gut«, sagte sie stattdessen. »Ich werde dir vertrauen.«
    Er reagierte auf dieses Zugeständnis nur mit einem knappen Nicken und einem leisen »Mefrouw.«
    Ana dachte an ein Sprichwort, das die Händler auf dem Großen Fluss benutzten. Die Länge einer Reise wird nicht nur in Tagen gemessen, sondern in Worten. Je mehr fließen, desto kürzer der Weg.
    Unserer wird sehr lang werden, dachte sie.

 

    Zweiter Teil

 
    Kapitel 6
     
    In Somerstorm wird jeder als Sklave geboren. Da der Fürstenfamilie laut uraltem königlichem Erlass nicht nur das Land gehört, auf dem der Roggen wächst und das Vieh steht, sondern auch alles, was dieses Land hervorbringt, erscheint es fast schon vernünftig, auch das Volk dazuzuzählen. Tatsächlich steht es den Fürsten Somerstorms zu, jeden zu versklaven, den sie auf ihrem Boden vorfinden. Vorsichtigen Reisenden mag dies als abschreckend erscheinen, doch in der langen Geschichte des Landes haben nur wenige Fürsten dieses Recht wörtlich ausgelegt.
    Jonaddyn Flerr, Die Fürstentümer und Provinzen der vier Königreiche, Band 2
     
     
    Langeweile und Angst waren Gerits größte Feinde. Die Langeweile ließ ihn leichtsinnig werden, die Angst lähmte ihn, bis er es kaum noch wagte, den kleinen Unterstand auf dem Dach des Haupthauses zu verlassen. Manchmal folgten die Angriffe dieser Feinde so dicht aufeinander, dass er glaubte, den Verstand zu verlieren. Er widersetzte sich ihnen, so gut er konnte, schlich sich hinab in die Vorratslager, obwohl er am ganzen Körper zitterte, und blieb in seinem Unterstand sitzen, wenn die Langeweile in ihm von Kampf und Flucht flüsterte.
    Zwölf Tage waren seit dem Fest vergangen. Er war in dieser ersten Nacht auf das Dach geklettert, hatte sich in Nischen und hinter Vorsprüngen versteckt, während unter ihm die Bewohner der Festung zusammengetrieben wurden. Der Wind hatte Schreie zu Gerit hinaufgetragen. Den ganzen Tag über hatte er darauf gewartet, dass man auch ihn entdecken würde, aber niemand kam auf das Dach.
    Er war allein.
    Gerit hielt die Hände

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