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Sturm

Sturm

Titel: Sturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Kern
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Sorgen um ihre Sicherheit gemacht.
    »Wieso hast du mir nichts davon gesagt?«, fragte sie. »Es steht mir zu, solche Dinge zu wissen.«
    Er drehte die Zügel seines Pferdes zwischen den Fingern. »Es ist meine Aufgabe, für Euch zu sorgen. Nicht nur für Eure Sicherheit, auch für Euer Wohlbefinden.«
    »Und das ist dir so gut gelungen, dass wir noch nicht einmal Brot kaufen können?« Es war fast so, als habe er sie betrogen. »Was sollen wir jetzt machen? Sollen wir als Bettler in Westfall eintreffen?«
    »Ich werde jagen und …« Er unterbrach sich. Sein Blick strich über das Gerüst. Dann sah er Ana an. »Was könnt Ihr?«
    Sie wusste nicht, was er damit meinte.
    »Könnt Ihr kochen?«, hakte er nach.
    Ana hob die Schultern. »Ich habe es noch nicht versucht.«
    »Natürlich.« Sie glaubte Sarkasmus in seiner Stimme zu hören. Das gefiel ihr nicht. »Könnt Ihr Bretter anpassen oder Holz hacken?«
    Die Frage war so lächerlich, dass sie beinahe gelacht hätte. »Wieso sollte ich so etwas können?«, fragte sie.
    Jonan antwortete nicht. Stattdessen ging er zurück zu dem Jungen, der ihre Unterhaltung beobachtet hatte. Er sprach mit ihm, dann mit seiner Hilfe mit einigen Männern. Dann winkte er Ana zu.
    »Steigt bitte ab, Mefrouw«, rief er.
    »Wieso?«, fragte Ana, folgte seiner Aufforderung aber.
    »Weil wir uns unser Essen verdienen werden.« Jonan zog seine Jacke aus. Der Junge lief auf Ana zu. »Komm«, sagte er. »Ich zeige.«
    Er will, dass ich arbeite, dachte sie. Die Vorstellung war ihr fremd. Ihre Lehrer hatten ihr Pflichterfüllung und Disziplin beigebracht, aber wie ein Sklave mit den Händen zu arbeiten, erschien ihr unangemessen und ein wenig peinlich.
    Nur die Hand im Dreck findet Gold. Ein weiteres Sprichwort ihres Vaters, das er wahrscheinlich nicht verstanden hatte.
    Sie hob den Kopf und ließ sich von dem Jungen zu den Frauen auf der Decke führen. Sie lächelten und machten ihr Platz. Jemand drückte Ana ein merkwürdig krummes Messer in die Hand und ein gurkenartiges Gemüse mit einer Schale, die hart wie Baumrinde war.
    Das Messer fühlte sich seltsam an. Unsicher setzte sie es an der Spitze des Gemüses an. Die Frauen neben ihr kicherten. Die älteste von ihnen brachte sie mit einer Handbewegung zum Schweigen. Sie nahm Ana das Messer aus der Hand und zeigte ihr, wie man es ansetzen musste, damit die Schale aufbrach. Das Fleisch darunter war weiß und roch süßlich.
    Die alte Frau wiederholte die Bewegungen, dann reichte sie das Messer mit einem Schwall unverständlicher Worte zurück. Ana lächelte überrascht, als es ihr auf Anhieb gelang, ein Stück Gemüse zu öffnen. Die Frau tätschelte ihren Arm. Ihre Hände waren so rau wie Zrenjes.
    Die Frauen versuchten noch einige Male, eine Unterhaltung mit Ana anzufangen. Sie waren neugierig, wollten vermutlich wissen, woher sie kam und wo ihr Ziel lag. Ana gab sich keine Mühe, ihre Worte und Gesten zu verstehen. So musste sie nicht lügen. Nach einer Weile kehrten die Frauen zu ihrer eigenen Unterhaltung zurück. Ihre Worte klangen in Anas Ohren wie eine fremde Melodie, unverständlich und träge. Sie ließ sie an sich vorbeiziehen, während ihre Hände langsam den Rhythmus der Arbeit fanden.
    Es war eine langweilige, aber auf seltsame Weise beruhigende Arbeit. Sonnenlicht wärmte ihr Gesicht, der Wind, der durch das Tal wehte, war mild. Ana spürte, wie eine Anspannung, die sie vorher nicht einmal bemerkt hatte, von der Brise davongetragen wurde. Sie fragte sich, wie es wohl war, in diesem Tal zu leben, wo die Zeit in Jahreszeiten gemessen wurde und jeder, der am Morgen erwachte, genau wusste, was der kommende Tag bringen würde und der Tag danach oder der Monat oder das Jahr. Nichts drang jemals in dieses Leben ein. Alles und jeder hatte seinen Platz.
    Ana erschrak, als ihr auffiel, dass sie die Frauen beneidete.
    Die alte Frau berührte ihren Arm und sagte etwas. Ana hob die Schultern. Eine andere Frau zeigte auf das Gerüst, auf dem Jonan mit nacktem Oberkörper arbeitete. Ana bemerkte dunkle Narben auf seinem Rücken. Sie sahen aus, als stammten sie von Klauen oder einer Peitsche.
    »Was ist mit ihm?«, fragte sie.
    Die junge Frau lächelte breit. »Lollu?«, fragte sie und zeigte wieder auf Jonan.
    Die anderen Frauen lachten.
    »Lollu?« Ana runzelte die Stirn. »Ich verstehe nicht.«
    Die Frau unterstrich ihre Frage, indem sie ihren Zeigefinger in den Mund steckte. »Lollu?«
    Ana spürte, wie ihre Wangen sich röteten. »Nein, kein

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