Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Sturmauge

Sturmauge

Titel: Sturmauge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Lloyd
Vom Netzwerk:
kleines Stück herunter, aber das Mal war wie erwartet noch immer zu sehen.
    »Verdammt«, sagte er und kratzte sich mit gefurchter Stirn den Bart. Um ihren Hals war deutlich der graue Schatten eines
Handabdrucks zu sehen. Die Haut war nicht verletzt, nur verfärbt, als hätte jemand sie mit einer von Asche schmutzigen Hand gepackt, doch dies konnte nicht abgewaschen werden.
    »Jemand hat dich gezeichnet«, sagte er zu ihr. »Dich, die du so umfassend von einer Göttin berührt wurdest wie jeder Erwählte. Er packte dich und schlug dich bewusstlos. Man brach dir ein Bein, die Schulter, einen Arm und einen Halswirbel – und eine Berührung allein war genug, um ein bleibendes Mal auf deiner Haut zu hinterlassen.«
    Aber das war nicht das Einzige, was an ihrem Hals seltsam erschien. Wenn er mit dem Finger darüberstrich, spürte er einige Unebenheiten, die sich wie eine Halskette unter der Haut anfühlten. Und das bisschen Magie, das er zustande brachte, hatte auch bestätigt, dass es genau dies war: Eine Halskette, die sie umgehabt hatte, war vollständig in ihr Fleisch gesunken.
    »Und das ist nicht einmal das Schlimmste«, fuhr er mit dem Blick auf den Handabdruck nachdenklich fort. »Wir alle fühlten, was in Alterrs Kammer geschehen ist. Jeder Priester in Hale spürte etwas Schreckliches. Man sagt, ein Gott sei gestorben … aber ich frage mich, ob es nicht eine Göttin war?«
    Er nahm einen Lappen auf und fing sofort an, ihr Gesicht abzuwischen.
    »Ich war beim Tempel der Dame. Er steht verschlossen und man sagt, die Priesterinnen hätten ihn nicht mehr verlassen. Hale versinkt im Chaos, darum hat es sonst noch niemand bemerkt, aber das wird nicht mehr lange dauern.«
    Er zog die Decke von ihr herunter und musterte ihren Körper. Ein Stück Tuch bedeckte ihre Scham, um die Form zu wahren, aber ihr Körper war ohnehin zur Hälfte von Verbänden verdeckt. Er kümmerte sich um jeden einzelnen und summte dabei Mantras der Heilung. Ohne Magie würden sie wenig ausrichten, aber die vertrauten Laute waren besser als Stille.

    Offensichtlich heilte sie übernatürlich schnell, und Antil war nicht so vermessen, sich dies selbst zuzuschreiben. Vielleicht habe ich ein wenig dabei geholfen, gestand er sich ein , aber das war es auch schon. Als er ihr fest geschientes Bein berührte, stöhnte die Frau und versuchte danach zu greifen, aber sie war zu schwach, um sich aufzusetzen. So sank sie zurück, und ihre Augen rollten nach oben, während sich ihre Lippen leicht bewegten. Er legte ihr die Hand auf die Brust und ließ Magie in sie fließen, wollte damit aber nicht die Knochen oder das Fleisch heilen, denn das schaffte sie alleine, sondern den Schmerz vertreiben. Zumindest das konnte er für sie tun, denn ihr Geist war noch immer menschlich, und so mochte er ihn überlisten, ihm vorgaukeln, es gäbe gar keinen Schmerz, auch wenn ihr Körper alles, was darüber hinausging, abwehrte.
    Nach einer Weile hielt er inne, um zu Atem zu kommen, und fühlte sich wie ein alter Mann. Er hatte einen Beutel mit Weidenrinde neben ihrem Bett abgelegt, den er nun aufnahm. Antil brauchte einige Augenblicke, um die Schnur zu öffnen, weil sich seine Finger so steif anfühlten. Als er es endlich schaffte, fuhr ein Windstoß in das Tuch, das vor das Fenster genagelt worden war, und die Bewegung ließ ihn zusammenzucken, so dass ihm der kleine Beutel aus der Hand fiel. Aber irgendwie war die Hand seiner Patientin aus dem Bett gerutscht und statt auf den Boden zu fallen, landete der Beutel in ihren Fingern.
    Ihre Augen waren geschlossen, sie schlief einen unruhigen Schlaf. Es gab kein Anzeichen dafür, dass sie bemerkt hatte, was geschehen war.
    »Guter Fang«, murmelte Antil verwundert. »Oder sollte ich besser sagen: ein glücklicher Fang?«
    Er wusste nicht, ob er bei diesem Gedanken lächeln oder das Gesicht verziehen sollte. Das Glück war eine launenhafte Herrin  – sofern dieser Ausdruck noch Bestand hatte, nachdem die
Dame selbst tot war. Es würde nicht mehr lange dauern, bis die Pönitenten ernste Fragen zu dem zerstörten Fenster stellen mochten. Er hatte es mit einem Stein abgetan, der bei der Zerstörung von Alterrs Tempel hierhergeschleudert worden sei, aber früher oder später würde das jemandem seltsam vorkommen.
    »Was ist deine Rolle bei all dem?«, fragte er sich, fuhr mit dem Finger über ihren Arm und spürte die Hitze ihrer Haut. »Wie konntest du das überleben, wenn du mit der Dame dort warst, und sie starb? Ein

Weitere Kostenlose Bücher