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Sturmauge

Sturmauge

Titel: Sturmauge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Lloyd
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nicht viel Macht nötig, um sie zu nutzen. Aber die Bindung wirkt nur nach innen. Kräfte, die von außen eindringen, werden nicht abgehalten.«
    »Was tun wir dagegen?«
    Er streckte die Hand aus. »Gib mir den Schädel. Wenn er sich außerhalb des Kreises befindet, wird er die Zeremonie nicht behindern  – es erleichtert sie möglicherweise sogar.«
    Er nahm das Ritual wieder auf, versiegelte den Kreis erneut und stand dann vor dem König, während er einige arkane Silben sprach, die er vor einem Jahrhundert gelernt hatte. Die Götter waren im Zwilicht am schwächsten, wenn sie wenig Macht aus dem Land erhielten, darum gelang die Magie, an der sie beteiligt waren, in dieser Übergangsphase stets am besten. Das Ritual an sich war einfach und begann mit einer sanften Beschwörung. Erst später würde er Gewalt einsetzen müssen.
    Plötzlich, während die sanften Silben aus seinem Mund flossen und einen metallischen Geschmack hinterließen, erinnerte sich Morghien an seinen ersten Magielehrer, den Vater des berüchtigten Cordein Malich.

    »Einige betrachten Magie als eine Kunst der Menschen, in der ein direktes und mutiges Handeln stets zum Erfolg führt. Das sind die Schwachköpfe, vor denen du dich hüten musst, die sich ohne jede Vorsicht groß aufspielen. Wir leihen uns diese Kunst von Göttern und Dämonen, von Wesen also, die uns wie Fliegen zerquetschen könnten, wenn sie es wünschen. Unsterbliche lassen sich von solchem Gehabe nicht beeindrucken und ein wenig Bescheidenheit ist auch nie falsch.« Er seufzte bei diesem Gedanken. »Eine Schande, mein Freund, dass sich dein Sohn nie an deine Lehren gehalten hat.«
    Morghien spürte, dass es im Raum etwas dunkler wurde. Die Schatten waren bereits wegen der heruntergedrehten Lampe tief, aber die Veränderung war trotzdem merklich. Er atmete tief durch.
    Bescheidenheit? Ich versuche es, Meister, aber ich bin damit nicht sonderlich erfolgreich.
    Er wiederholte die Worte der Beschwörung und hemmte den Fluss der Magie, so gut er konnte, ohne ihn abebben zu lassen. Er freute sich nicht oft darüber, dass er so wenig Macht besaß, aber diesmal kam es gelegen, denn eine Beschwörung mit ganzer Kraft würde eine Wesenheit anlocken und in die Welt ziehen. Mit etwas Glück würde er sie durch seine Taten zu einem Zeitpunkt, in dem ihre Reichweite eingeschränkt war, etwas anstupsen.
    Er nickte Emin zu, der König ließ das Tuch von den Schultern gleiten und breitete es hinter sich aus, wobei er sorgsam darauf achtete, den Kreis nicht zu unterbrechen. Dann hielt Morghien die Lampe hoch, damit Emins Schatten auf das Tuch fiel, und wiederholte die Beschwörung langsam und leise. Wenn er zu sehr drängte, könnte die Beschwörung auch zu gut gelingen. Schon jetzt gingen sie ein gewaltiges Risiko ein. Er führte eine solche Trennung nicht zum ersten Mal durch, aber König Emins Anwesenheit machte es wahrscheinlicher, dass sie bemerkt wurden, und darin lag die Gefahr.

    Der Schatten auf dem Tuch zuckte leicht. Morghien behielt ihn genau im Auge. König Emin stand reglos da, wartete ab, die Augen auf Morghien gerichtet. Der Schatten zuckte erneut, dann sah er sich im Zimmer um.
    Hervorragend . Er legte eine Hand auf die unsichtbare Barriere, die von dem Kreis gebildet wurde. Sie war intakt. Alles verlief nach Plan. Im Zwielicht entfernten sich die Götter ein wenig vom Land, doch in jedem ihrer Diener, der den heiligen Schwur ablegte, blieb ein Splitter von ihnen zurück. König Emin hatte dies vor einigen Jahren getan – wenn auch eher aus praktischen als aus Glaubensgründen. Die Beschwörung zielte auf den einzigen Teil von Lord Tod ab, den jemand von Morghiens Kraft im Zwielicht erreichen konnte, eben auf diesen Splitter in König Emin.
    Er drehte die Lampe heller, die Dunkelheit hinter Emin verdichtete sich.
    »Ich erfülle dich«, sagte er laut und ließ etwas mehr Magie in den Kreis fließen. Der Schatten erzitterte. »Ich erfülle dich«, wiederholte er und stellte sich einen schlagenden Hammer vor.
    Morghien hatte einmal einem Magierschmied bei der Arbeit zugesehen und bemerkt, mit welcher Gradlinigkeit er die Magie in den Stahl oder das Silber eingewoben hatte, dass der Rhythmus der Schläge und die Wiederholung der Worte ebenso wichtig waren wie die Stärke des Schmiedes.
    »Ich erfülle dich«, sagte er ein drittes Mal und zwang sich so viel Magie ab, wie ihm möglich war. Gleichzeitig gab er Emin ein Zeichen. Als Morghien die Worte zum vierten Mal aussprach,

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