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Sturmauge

Sturmauge

Titel: Sturmauge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Lloyd
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erhob sich Emin rasch aus der Hocke und verließ den Kreis, um neben Morghien zu treten. Der Schatten sprang vor, folgte ihm, prallte aber am Rand des Kreises ab und wich bebend zurück, während sich Emin aus seinem Griff löste. Nun erstarrte der Schatten zu einem dunklen Fleck auf dem Leinentuch.

    Morghien blies die Lampe aus und tauchte den Raum damit in beinahe völlige Dunkelheit.
    Es dauerte eine Weile, bis sich ihre Augen daran gewöhnt hatten.
    »Hat es funktioniert?«, fragte Emin mit dem Blick auf das Tuch. Der Schatten wirkte wie ein einfacher Fleck. Emin glaubte den Kopf und einen Arm zu erkennen, war sich aber nicht sicher.
    »So scheint es«, sagte Morghien, hielt seinen Freund jedoch vorsichtshalber noch am Arm fest. »Aber durchbrich den Kreis trotzdem erst einmal nicht, sicher ist sicher.«
    Die beiden Männer betrachteten das Tuch schweigend, bis Emin wieder einfiel, dass er ja nackt war und zu zittern begann.
    »Kann ich mich wieder anziehen?«
    Morghien nickte, ohne den Blick vom Tuch abzuwenden. »Der Kreis muss unberührt bleiben, bis die Sonne ganz untergegangen ist.«
    Emin löste das Kleiderbündel neben dem Hocker und zog sich eilig die Hose und dann auch die Schuhe an. Er bückte sich eben nach dem Hemd, als Morghien zur Seite stolperte, als habe man ihn an der Schulter weggestoßen.
    »Morghien!«, rief Emin und ergriff seinen Freund am Arm, damit er nicht fiel.
    »Scheiße«, wimmerte Morghien und stützte sich an der Wand ab. »Er kommt.«
    Emin drehte sich dem Kreis zu, über dem die Luft waberte und von kleinen, silbergrauen Funken erfüllt war. Ein Krachen wie ein umstürzender Grabstein erklang aus dem Nichts und hallte durch das kleine Turmzimmer. Sie hielten sich schmerzerfüllt die Ohren zu, als ein zweites Krachen durch ihre Körper bebte. Dann stand unvermittelt eine große Gestalt mit schwarzer Kutte in dem Kreis. Die Macht seiner Ankunft warf sie beide
zurück. Emin kam als Erster wieder zu Sinnen. Er zog Morghien auf ein Knie herunter.
    »Du glaubst, mich binden zu können?«, grollte Tod langsam.
    Der Gott schien fast drei Meter groß, sein Leib war von einer langen Robe verdeckt. In einer Hand hielt er ein goldenes Szepter. Mit der anderen strich er über die unsichtbare Barriere. Seine knochenweißen Finger und die pechschwarzen, spitzen Fingernägel zogen eine Lichtspur in die Luft, wo sie auf die Barriere trafen.
    »Nein, mein Lord«, sagte Morghien atemlos. Er zuckte jedes Mal zusammen, wenn die Finger auf seine Barriere trafen. »Solche Macht würde ich mir nie anmaßen.«
    Tod blickte auf das Tuch am Boden. Sein Gesicht lag in den Schatten der Kapuze verborgen, aber Morghien spürte seinen Blick wie eine Flamme auf sich.
    »Du bildest dir dennoch zu viel ein.« Tod klang ärgerlich, und Angst stieg in Morghien auf. »Ich sehe hier einen Verräter vor mir.«
    »Ich hatte keine Wahl«, sagte Emin, der spürte, dass der Gott seine Aufmerksamkeit auf ihn gerichtet hatte. Er wagte es aufzublicken und spürte eine Woge des Zorns, so wie Tods Macht einst in seinen Adern gebrannt hatte. »Was in Scree geschah, war zwar ein Gräuel, es wurde aber nur getan, um eine Reaktion herauszufordern. Um den Schaden wiedergutzumachen, muss ich mich von diesem Einfluss befreien.«
    »Und darum verrätst du deinen Gott«, lautete die donnernde Antwort. »Wer mich verrät, ist ein Ketzer – und es gibt nur eine Strafe dafür.«
    »Mein Lord«, sagte Morghien. »Seht Ihr nicht den Schaden, den Eure Wut anrichtet?«
    »Ich habe Ungläubige getötet. Sie sind doch … unwichtig.«
    »Ihr Ableben nimmt das Land gegen Euch ein, und Azaer nutzt dies aus.«

    »Azaer ist ein Schatten, sonst nichts. Ich fürchte mich vor keinem Gott, keinem Sterblichen – und ganz sicher nicht vor einem einfachen Schatten.«
    »Darauf verlässt er sich«, setzte Emin voller Verzweiflung nach. »Er hat aus seiner Schwäche eine Stärke gemacht. Er handelt unbemerkt und ungehindert.«
    »Ihr braucht euch vor dem Schatten nicht zu fürchten«, grollte Tod. »Nur mich sollt ihr fürchten. Du hast den Schwur gebrochen, den du ablegtest, und damit wirst du zu meinem Feind.« Für einen Augenblick schien es so, als blicke die Gestalt über Emin hinweg in die Ferne. »Du – und dein Blut. Vielleicht sollte meine Strafe den Sohn treffen, über den du in den Nächten wachst.«
    »Nein!«, schrie Emin, doch bevor er noch etwas sagen konnte, hatte Morghien schon die Hand in seine Manteltasche gesteckt.
    »Wir sind

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