Sturmauge
nicht Euer Feind«, brüllte er im Aufstehen. »Ihr seid verblendet, weil man Euch etwas antat, und seht die Gefahr nicht, die sich aus den Schatten erhebt.«
»Auf die Knie vor deinem Gott«, sagte Tod scharf und seine Stimme drang mit wilder Kraft in ihre Ohren. »Auf die Knie, oder ich strecke dich nieder und schicke deine Seele nach Ghenna.«
»Das werdet Ihr nicht tun«, gab Morghien zurück. »Und Ihr werdet in Eurem Zorn auch keinen Neugeborenen bedrohen.« Er schloss die Finger um den Schädel in seiner Tasche, und sofort erfüllte Energie seinen Körper. »Wir bekämpfen den Schatten – ob Ihr die Gefahr nun einsehen wollt oder nicht. Aber ich lasse nicht zu, dass Ihr uns im Weg steht.«
»Du drohst mir?«, donnerte Tod und hob das Szepter.
Daraufhin zog Morghien den Schädel aus der Tasche und hielt ihn zwischen den Kreidekreisen hoch. »Ihr seid geschwächt, von dem beeinträchtigt, was in Eurem Tempel in Scree geschah. Ich fühlte die Schnitter in Lord Isaks Schatten. Sie haben sich aus
Eurer Herrschaft befreit, ihr Verlust hat Euch hart getroffen. Ich besitze vielleicht nicht einmal mit dem Schädel die Macht, Euch zu besiegen, aber Ihr wisst genau, welchen Schaden er bei Euch anrichten kann. Mich zu töten, wird Euch weitaus mehr kosten, als Ihr erübrigen könnt.«
»Du erklärst deinem Gott den Krieg? Für diese Dummheit sollt ihr büßen.«
Tods Antwort war merklich ruhiger erfolgt. Morghien spürte, dass er nur auf den Kristallschädel achtete. Der Kampf aus dem Inneren eines Bannkreises war für ein magisches Wesen mit einer Armee vergleichbar, die bergauf angreifen musste – jeder Schritt bedeutete eine erhebliche Anstrengung. Die Macht eines Kristallschädels hingegen würde diesen Berg wie ein Fluss hinabströmen.
»Das tue ich nicht«, sagte Morghien so ruhig, wie es ihm trotz der Magie möglich war, die durch seinen Körper strömte. »Ihr seid der Herr des letzten Gerichts – und kein Sterblicher kann Euch täuschen. Darum sage ich: Ich glaube, dass wir Eurem Zweck dienen. Ich glaube, wir tun, was getan werden muss, und wenn wir scheitern, werden auch die Götter scheitern. Darum muss ich Euch drohen, denn ich kann nicht zulassen, dass sogar Ihr uns aufhaltet.«
»Du lügst nicht«, sagte Tod mit ausdrucksloser Stimme. »So fehlgeleitet deine Worte auch sein mögen, ich spüre doch deinen Glauben.«
Morghien fuhr fort, versuchte gar nicht erst, die Gedanken eines so alten und mächtigen Wesens zu verstehen. Er würde darauf hoffen müssen, dass der blinde Zorn des Gottes nicht allumfassend war – und dass noch etwas göttlicher Verstand blieb.
»Dann nehmt bitte unsere Entschuldigung an und erlaubt uns, unsere Aufgabe zu vollenden.« Er atmete tief durch und spielte nun seinen letzten Trumpf aus: »Nach dem Krieg der
Häuser erschient Ihr Aryn Bwr, als er sich anschickte, seine besiegten Feinde abzuschlachten. Ihr spracht mit den gestürzten Prinzen, hörtet ihre Worte und vergabt ihnen, weil ihre Taten ohne Fehl waren. Ihr verhindertet, dass Aryn Bwr sie auslöschte und habt damit die Kluft zwischen den Adelshäusern überbrückt.«
Tod ließ sich mit einer Antwort Zeit. Morghien krampfte es die Brust zusammen, als er erkannte, was er da versuchte. Ich handele einen Waffenstillstand mit Tod aus? Was denke ich mir nur dabei?
»Du bittest um Gnade? Gut, sie sei euch gewährt. Ich werde also weder euch noch euer Reich für das zerstören, was ihr getan habt. Aber – ihr seid in meinen Tempeln nicht mehr willkommen. Euer Krieg ist ein einziger Irrsinn, und meine Diener werden euch auch nicht dabei helfen. Wir sind also weder Feinde noch Verbündete, bis ihr dereinst gerichtet werdet.«
Beide Männer verneigten sich, doch keiner traute sich zu sprechen, aus Angst, ihre Worte könnten das zerbrechliche Gleichgewicht stören. Unter Mühen kappte Morghien den magischen Strom, der zum Kreis floss, und verwischte die Kreide mit der Hand. Damit ging er ein Wagnis ein, aber eines, das notwendig war.
Tod blieb reglos stehen. Morghien spürte den Blick des Gottes auf sich ruhen, auch wenn er den Kopf gesenkt hielt. Dann war er auf einmal verschwunden, und als sie aufblickten, war der Raum leer. Das Tuch lag noch immer an der gleichen Stelle, aber wo der Schatten sich eingeprägt hatte, war das Leinen verbrannt und zerfiel zu Staub. Ein eisiger Wind blies durchs Fenster herein. Einige Ascheflocken glitten über die Reste des Tuches und offenbarten einen rußigen Fleck auf dem Stein
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