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Sturmauge

Sturmauge

Titel: Sturmauge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Lloyd
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Pantomimenspielchen abzulenken.« Sie wies auf seine Hände. »Was ist damit? Erzähl mir etwas über diese Kreise.«
    Sein Gesicht wurde wieder ausdrucklos. »Dazu gibt es nichts zu sagen.«
    »Ha. Es ist ein Glück, dass ich zu sehr Dame bin, um so darauf zu antworten, wie es Vesna oder Carel täten.«
    Mihn nickte zustimmend. »Und dafür bin ich sehr dankbar.«
    »Darf ich sie mir wenigstens einmal ansehen?«
    Ihre Stimme klang nun sanfter, und Mihn zögerte, rief sich die Worte noch einmal genau in Erinnerung. Harlekine wurden ausgebildet, jeden Dialekt zu sprechen, jedes Gefühl nachzuahmen.
Nur wenige besaßen ihr Geschick, wenn es darum ging, Betonungen zu deuten, und so nickte er. Sie versuchte nicht, ihn um den Finger wickeln, ihre Worte waren aufrichtig gemeint gewesen.
    Er streckte die linke Hand aus, die sie ergriff und mit der Handfläche nach oben drehte. Es fühlte sich seltsam an, denn er war sein ganzes Leben lang keusch gewesen. Harlekine hielten ihr Geschlecht geheim, und seit Mihn verstoßen worden war, hatte er noch keine Gelegenheit gehabt, sich deswegen Gedanken zu machen oder in dieser Hinsicht tätig zu werden.
    Die Berührung ihrer sanften Finger sandte ein Kribbeln durch seinen Arm. Tila bemerkte davon aber nichts und beugte sich über seine Hand. Sie war zwar größer als er, aber schlank, sogar im Vergleich zu seiner drahtigen Gestalt. Fasziniert strich sie mit einem Finger über das Hautbild, das den Großteil seiner Handfläche bedeckte. Nur seine Ausbildung verhinderte, dass er bei der Berührung zusammenzuckte, aber Tila blickte dennoch auf, als habe er sich bewegt.
    »Ehla hat dies gemacht?«, fragte sie.
    »Es wäre mir schwergefallen, es selbst zu tun«, antwortete er und bemerkte, dass sie – wie viele Farlan – die Hexe von Llehden nicht gerne mit ihrem Titel bezeichnete, obwohl ihr Stamm dafür bekannt war, Titel sehr wichtig zu nehmen. Statt sie »die Hexe« zu nennen, nutzten sie alle den Namen, den sie ihnen angeboten hatte. Er erinnerte sich an Fernals Worte: »Ein Name gibt Gestalt, so wie er auch aus der Gestalt hervorgeht.«
    Wie wahr, und mehr Leute nennen sie Ehla – Licht – und benutzen ihren wahren Namen nicht. Sie hat sich angreifbar gemacht, indem sie sich einen Namen hat geben lassen, oder hat sie die Absicht, die Veränderungen, die dieser Name in ihr hervorruft, irgendwie zu nutzen?
    »Warum ein Eulenkopf?«, fragte Tila und riss ihn damit aus seinen Gedanken.

    Die Hautbilder auf seinen Fußsohlen und Handflächen bestanden aus drei ineinanderliegenden Kreisen, und in der Mitte lag ein vereinfachter Eulenkopf. In den beiden äußeren Ringen befand sich Schrift. Im Inneren kantige elfische Runen und im Äußeren eine angedeutete Form des westlichen Dialekts der Hexe. Es waren Mantras, die sie gesprochen hatte, während sie die Bilder in seine Haut gestochen und seinen Körper so mit Worten der Stille und Heimlichkeit erfüllt hatte.
    »Es schien angemessen«, antwortete Mihn. Er entzog sich ihrem Griff und sprach mit fester Stimme: »Ich muss jetzt mit dem Haushofmeister sprechen.«
    »Worüber?«
    »Eine persönliche Angelegenheit.«
    »Persönlich? Seit wann habt ihr beide Persönliches zu besprechen?« , fragte sie scharf. »Hat sich in der letzten Woche etwas verändert? Normalerweise wuselst du durch die Gänge, um ihm zu entgehen, damit er dich nicht zu seinem besten Spion macht.«
    »Ich wusele?«, fragte Mihn und hob eine Augenbraue. Wie erhofft lachte Tila darüber.
    »Vielleicht war das nicht ganz das richtige Wort.« Sie bedeutete ihm, in den Raum zu gehen. »Komm, ich setze mich dazu  – ich bin sicher, dass Lord Isak gern davon erfahren möchte, was auch immer Lesarl von dir will.«
    Mihn ergab sich mit einem knappen Nicken und folgte ihr in den Raum. Das Arbeitszimmer des Haushofmeisters war lang und schmal, mit einigen Fenstern an der Rückseite. Der Schreibtisch, ein riesiges, mit Elfenbein-Einlegearbeiten verziertes Untier von einem Möbelstück, stand in der Mitte. Es war der einzige Schmuck, den sich der Herrscher über den Alltag der Farlan erlaubte. Die langen Wände auf beiden Seiten wurden von deckenhohen Regalen eingenommen, die mit gebundenen Ledermappen vollgestopft waren. Zwischen den Fenstern standen zwei
Bücherregale Rücken an Rücken. Eines der Regale hatte man noch nicht vollgestellt, aber das war, so vermutete Mihn, nur eine Frage der Zeit.
    »Dies ist die genaueste Geschichtsschreibung über die vergangenen

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