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Sturmauge

Sturmauge

Titel: Sturmauge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Lloyd
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Informationen anflehte.
    »Sollte Lord Isak nachfragen, warum Ihr es nicht zerstört habt?«
    »Denkt nicht einmal daran, mich damit zu erpressen. Ihr könnt mir nichts vorspielen, wenn ich alle Karten sehen kann. Aber wenn Ihr wisst, was es ist, dann wisst Ihr auch, dass man solche Dinge nicht so einfach beseitigen kann.«
    Mihn lächelte grimmig. »Ich bin sicher, dass Euch ein Gefallen vorschwebt, der für das Tagebuch oder Hinweise auf seinen Aufenthaltsort angemessen ist.« Er erschauderte, als sich daraufhin eine plötzliche und offensichtliche Freude auf Lesarls Gesicht zeigte.
    »Ein Gefallen, hm? Also das ist ein interessantes Angebot.«

    »Ein Gefallen«, warnte ihn Mihn. »Keine Abmachungen auf Dauer.«
    »Habt Ihr etwa Angst davor, Euch zu binden?« Lesarl grinste. »Meine Mutter hat mich vor Männern wie Euch immer gewarnt.«
    »Schlagt Ihr ein?«
    Lesarl schürzte die Lippen und nickte dann nachdenklich. »Das tue ich, aber Ihr müsst den Gefallen vorab leisten.«
    »Was ist es?«
    »Ich brauche einen oder zwei Tage, um einige Vorbereitungen zu treffen.«
    »Und sobald der Gefallen abgegolten ist, werdet Ihr mir alles über das Tagebuch berichten.«
    Lesarl schenkte ihm ein verzücktes Lächeln: »Wir sprechen darüber, sobald Ihr zurückkehrt.«
     
    Zwei Tage später hockte Mihn hinter einer Statue und versuchte sich vor dem Wind zu schützen, der vom Fluss heraufwehte. Wolkenbrüche machten die offenen Straßen Tirahs noch ungemütlicher. Der Irist, der größte Wasserweg, führte in diesem Winter Hochwasser und strömte wild dahin, die Umgebung aber war dunkel und rutschig.
    Hundert Schritt flussaufwärts lag der Tempel Tods, wohin Mihn unterwegs war. Wie bei den meisten Tempeln grenzten auch hier die Unterkünfte und Arbeitszimmer der Kleriker aneinander. Der Tempel hatte die Form eines gewaltigen Kreuzes, wie es auf einer Schatzkarte den Fundort markieren würde. Es nahm ein großes Stück des Ufers ein, und man hatte die Gebäude auf beiden Seiten des eigentlichen Tempels für weniger heilige Handlungen freigegeben oder an Händler vermietet.
    Dadurch hatte man genug Geld, um die ungewöhnlich große Herde von Pönitenten willkommen heißen zu können. Die Angehörigen des Tempels – die Geweihten, Priester und Novizen –
waren weiter nach Süden versetzt worden. Nur der Hauptwohnsitz des Hohepriesters war dort verblieben, ein mittelgroßer Palast, der an der Stelle stand, an der sich zwei der Arme des Tempels trafen. Von ihm aus hatte der Hohepriester einen großartigen Ausblick auf den Fluss, was anderen, die schwächer im Glauben waren, nun verwehrt blieb. Das bedeutete, dass weniger Leute in der Nähe waren, die Mihn dabei erwischen konnten, wie er aus dem Schatten der Statue trat und in den Tempel einbrach.
    Er hatte seinen Stab gegen zwei Kampfstöcke eingetauscht, weil er sie besser auf dem Rücken verstauen konnte und sie sich eher für den Einsatz in einem Gebäude eigneten. Außerdem hatte er sich ein Seil mit einem Wurfanker daran um den Bauch gebunden und trug eine kleine Porzellanvase bei sich, deren Deckel fest zugeschraubt und zusätzlich mit Draht umwunden war, einen Flakon mit Selbstgebranntem, den die Palastwachen Mistkerl getauft hatten, und dazu einen Stoffumhang, von dem ein Zopf aus Pferdehaar hing.
    In einem atemberaubenden Mangel an Treue hatte Lesarl diesen Umhang vorgeschlagen, damit man Mihn, wenn er gesehen würde, seiner Gestalt und des Zopfes wegen für eine Anhängerin der Dame halten und die Schuld auf ihren Tempel schieben möge. Der Haushofmeister war nicht erfreut darüber, dass seine Spione dort seine Befehle vor kurzem erst missachtet hatten. Darum war es ihm nur recht, wenn mögliche Probleme beim Tempel und nicht bei ihm aufliefen.
    Mihn hatte die Umgebung zuvor ausgekundschaftet und wusste recht gut, wo sich die Wachen befanden. Bei seinen Bemühungen, nicht bemerkt zu werden – er sah immerhin verdächtig nach einem Ausländer aus, wie Isak nur zu gern betonte –, achtete er besonders auf patrouillierende Pönitente. Das Wichtigste bei diesem Auftrag war, nicht entdeckt zu werden. Lesarls andere Spione
waren geschickter darin zu morden als zu schleichen. Darum war Mihn hier.
    Aber wie so oft bedeutete Heimlichkeit auch, dass man Umwege nehmen musste. Lesarl hatte nur vage angedeutet, was passieren würde, wenn Mihn den Draht abwickelte und den Deckel der Vase öffnete, aber er hatte zumindest vorgeschlagen, dass sich Mihn rasch zurückziehen und

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