Sturmauge
aufgetaucht«, erklärte er Doranei.
»Sucht vielleicht nach Kunden oder wird von einer der Banden in Brand bezahlt, die Königinnenwohl verkaufen und keine Konkurrenz haben wollen.«
»Und heute Nacht?«
»Heute war’se vor so ungefähr ’ner Stunde hier. Treibt sich nich lang rum, wenn wir hier sind, weil’se weiß, dass’se ne Tracht Prügel kriegt, wenn wir sie erwischen. Hat nur da zum Fenster hochgeguckt und ist dann weiter.«
Doranei nickte. Die Bewohner Münzes würden es wohl nicht gern hören, dass einem möglichen Dieb erlaubt wurde, die Häuser
auszukundschaften, aber die Wachen mochten sich keine allzu große Mühe geben, ein Mädchen einzufangen, vom dem sie nicht dachten, dass es Probleme machen würde. »Kommt sie noch mal wieder?«
»Kann gut sein – aber sicher ist nur, dass’se bei Sonnenuntergang vorbeikommt, denn das macht’se immer.«
Es lohnt sich vielleicht, wenn ich sie mir schnappe, auch wenn ihr beide euch die Mühe nicht macht , dachte Doranei und nahm einen tiefen Zug von seiner Zigarre.
Tabak war der beste Freund des Spions. Das hatte ihm König Emin vor Jahren schon beigebracht. Er selbst konnte dem Rauchen nicht viel abgewinnen und rauchte nur gerade so viel, dass er mit einer Pfeife oder Zigarre nicht komisch aussah. Die Soldaten waren überall im Land gleich: meist einfache Männer, die zu viel Zeit hatten. Sie waren gutem Rauchwerk selten abgeneigt, und wenn sie ihr Misstrauen erst einmal abgelegt hatten, tratschten sie schlimmer als jeder Knüpfkreis.
Die Männer des Königs von Narkang mussten sich nicht mit höfischen Ränken auskennen – das war vielmehr die Aufgabe von König Emins Adligen. Doranei holte sich seine Nachrichten von Fußsoldaten, Wachen und Küchenpersonal. Als er zwölf Jahre alt gewesen war, hatte er ein halbes Jahr damit verbracht, sich durch die Küche des Die leichten Federn schubsen zu lassen, und diese Erfahrung hatte er seitdem schon oft nutzen können. Wie Sebe zu sagen pflegte: Freunde dich mit einem Koch an, dann kriegst du zumindest immer eine Mahlzeit raus, selbst wenn er nichts weiß.
Der affengesichtige kleine Scheißer tut auch alles für etwas zu Essen , fügte er still hinzu und lächelte in sich hinein.
Er hob die Zigarre zu einem Gruß an die beiden Wachen und sagte: »Gut, ich verschwinde dann besser mal. Ich will ja nicht, dass die Leute denken, ich würde etwas Verbotenes tun, denn es
scheint mir nicht so, als sei der Stadtwache im Augenblick nach Späßen zumute.«
»Ja, das ist wohl richtig«, stimmte ihm Loris zu. »Ich bin froh, dass wir einigermaßen weitab sind. Die Stadt versinkt so schnell in der Scheiße, dass nicht mal Kiyer die Straßen noch sauberspülen kann. Nimm das Geld des Mistkerls und such dir eine hübsche, junge Nutte für heute Nacht. Wenn du außer Sicht bleibst, wird er nicht viel unternehmen, und die Stadtwache schert es in etwa so viel wie einen Richter.«
Doranei grinste. »Da könntest du Recht haben. Ich habe meine Sachen beim Wagenführer gelassen, aber für sechs Viertel krieg ich neue und hab noch was übrig. Das soll ihm eine Lehre dafür sein, seine beschissene Menschenkenntnis an mir auszuprobieren.«
Er entschuldigte sich und ging. Den Wachen war es recht. Es war die eine Sache, einen vorbeikommenden Fremden davor zu bewahren, Ärger zu bekommen. Aber wenn man zu lange tratschte, sah das aus, als nähme man seine Pflichten nicht ernst. Doranei zog sich zu einer Kreuzung zurück, die er zuvor ausgekundschaftet hatte. Jeder, der aus Brand kam, musste diese Kreuzung passieren, selbst wenn man versuchte, sich unauffällig durch die Stadt zu bewegen. Er bräuchte nicht viel Glück, um das junge Mädchen zu erkennen, von dem Yanai gesprochen hatte. Aber er durfte nicht zulassen, dass sie eine Szene machte. Bei so vielen gelangweilten Soldaten und Söldnern auf der Straße würde sie gewiss bewaffnet sein.
»Sie kommt immer erst nach Sonnenuntergang«, überlegte er, während er den schimmernden Frost auf den Dächern beobachtete. »Sucht sie nach Mikiss oder Nai, oder gar nach Zhia? Sie ist keine Spionin der Herzogin, sonst würde sie die Tür den ganzen Tag über beobachten.«
Er lehnte sich an den Stamm einer uralten Schlingpflanze, deren
Ranken die hohe Mauer eines Hofs bedeckten und über die Wand des angrenzenden Hauses bis zum Dach hoch reichten. Die verworrenen Reben boten, obwohl sie keine Blätter trugen, genug Sichtschutz, um Doranei fast gänzlich zu verbergen.
Am Ende der
Weitere Kostenlose Bücher