Sturmauge
herum und rammte ihm ein Knie in die Nieren. Die Beine des Türstehers gaben nach, aber Doranei blieb in Bewegung, und als sein Unterarm auf Vascas Nase traf, hallte ein lautes Knacken durch den Schankraum. Der Mann ging zu Boden.
Doranei drehte sich weiter, zog sein Schwert und war abwehrbereit, falls sich jemand hinter ihn geschlichen hatte, aber die Gäste saßen vor Verwunderung erstarrt. Er senkte das Schwert leicht. An einer Wand saßen einige Soldaten an einem Tisch.
»Ein bisschen dick aufgetragen, findest du nicht?«, sagte jemand neben ihm. »Wenn ich mich recht entsinne, kannst du dem Theater eigentlich nicht so viel abgewinnen.«
Als Doranei sah, wer ihn da ansprach, entglitt ihm fast das Schwert. An einem Ecktisch saß allein Prinz Koezh Vukotic und wirkte wie ein entspannter junger Adliger. Der Vampir war der Einzige, der keinen Tonbecher vor sich stehen hatte, und Doranei hoffte, dass es nur Rotwein war, was da in dem Kristallglas schimmerte.
Koezh trug eine unauffällige graue Reisekleidung und als einzigen Schmuck einen goldenen Siegelring an einer Kette um den Hals. Er lächelte nachsichtig, aber Doranei hatte sich längst daran
gewöhnt, von Mitgliedern dieser Familie verspottet zu werden. Wenn Vorizh Vukotic plötzlich auftauchte und über den Zustand seiner Stiefel lachte, würde Doranei sicher nur seufzen und den Kopf schütteln, statt sich herausfordern zu lassen. Beinahe sicher, zumindest.
Er steckte das Schwert weg und ging um den am Boden liegenden Vasca herum, der unfreiwillig schnaubte, als Blut seine Nase verstopfte. Daraufhin winselte er vor Schmerz wie ein geprügelter Hund. Doranei warf seiner jungen Führerin einen Blick zu, dann wies er auf die Krüge hinter der Theke und gesellte sich zum Anführer des Vukotic-Stammes. Koezhs Augen zuckten kurz durch den Raum, und ihre Zuschauer wandten ihre Aufmerksamkeit gehorsam anderen Dingen zu. Als ihm Koezh bedeutete, sich zu setzen, hatten die Unterhaltungen an den Tischen schon wieder eingesetzt.
Doranei zog sich einen Stuhl heran und setzte sich, ohne seinen Mantel auszuziehen. Vermutlich würde er von sich aus nicht lang bleiben … bevor Koezh ihn wieder wegschickte und er wie ein Hund mit eingekniffenem Schwanz davonschleichen musste. Sie saßen sich schweigend gegenüber. Nach einem halben Dutzend Herzschlägen wurde ein Zinnkrug mit Bier vor Doranei abgesetzt. Ohne ihre Straßenkleidung erkannte Doranei, was für ein dürres, junges Ding seine Führerin war. Sie hatte braune Locken und ein schmales Gesicht. Zwölf Winter, höchstens, schätzte er. In Koezhs Anwesenheit wirkte ihr Gesicht ausdruckslos, ihr Verhalten gemessen.
Das ist gut. Egal, wie frech du sonst bist, du müsstest schon ein Dummkopf sein, seine Macht nicht zu spüren.
»Willst du nicht etwas sagen?«, fragte Koezh, als sich das Mädchen entfernt hatte. »Eine Freude, Euch wiederzusehen? Ich habe Euch vermisst? Diese Jacke betont Eure Augen?«
»Ich weiß nicht einmal, wie ich Euch ansprechen soll«, murmelte
Doranei und fragte sich, in was er da wieder hineingeraten war. Koezh hatte ihn lediglich toleriert, und Doranei war schmerzlich bewusst, dass er die einzige Person in der ganzen Stadt war, die nicht Koezhs Beherrschung unterlag und wusste, wer er war. Und dazu kam dann noch sein Auftrag: die Geheimnisse Vorizhs auszukundschaften, Koezhs jüngerem Bruder.
»Wie wäre es mit Osten?«, antwortete Koezh lächelnd. »Ich bin sicher, das würde meiner Schwester gefallen. Sollen wir das Geschäftliche erledigen, damit wir dann in Erinnerungen schwelgen können?«
»Das Geschäftliche?«
Koezh lehnte sich vor, und Doranei spannte sich unwillkürlich an.
»Du trinkst ja dein Bier gar nicht«, sagte der Vampir und wies auf den Krug. Er sprach den hier üblichen Dialekt in präziser, etwas gestelzter Weise, eine Mischung aus scharfen Menin-Konsonanten und langen Litse-Vokalen. Doranei mochte den größeren Wortschatz haben, aber im Vergleich zu Koezh klang er wie ein Hafenarbeiter.
Der Mann des Königs hustete und versuchte damit ein nervöses Lachen zu überspielen. Koezh war nicht besonders groß, ihn umgab aber eine besondere Ausstrahlung, die bei Doranei eine böse Vorahnung auslöste. Die saphirblauen Augen blinzelten nicht, während er nach dem Bier griff und einen tiefen Schluck nahm. Ein zweiter Schluck leerte den Krug zur Hälfte, und endlich beruhigten sich seine zitternden Nerven. Zu schade, dass da kein Schuss Branntwein drin ist , dachte
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