Sturmauge
Haustier.
Hofmeister Jeto räusperte sich. »Äh, sie lässt sich entschuldigen, Euer Hochwohlgeboren. Sie ist vor zwei Tagen erkrankt, ein Leiden des Halses, und konnte seitdem das Bett nicht mehr verlassen.«
»Hat man ihr meine Ärzte geschickt?«
»Soweit ich weiß, haben sie sich mit der Ärztin der Dame Kinna beraten, einer Frau aus Helrect. Euer Leibarzt ist der Meinung, dass sie gut versorgt wird. In einigen Tagen sollte sie wieder wohlauf sein.«
Jeto beendete seinen Bericht mit einem aufgesetzten Husten. Der nervöse kleine Sechzigjährige hatte pechschwarzes Haar und eine hervorstehende Nase, was ihm den Anschein einer Krähe unter Tauben gab. In Byora war schwarzes Haar selten, und Jeto war weder so groß noch so breit gebaut wie die Menin. Luerce selbst war auch klein, aber wenn es nötig werden würde, traute er sich zu, Jetos Genick wie einen trockenen Zweig zu zerbrechen.
»Nun gut, dann wollen wir beginnen«, verkündete die Herzogin und drückte Ruhen an sich.
Hofmeister Jeto verneigte sich übertrieben und brachte den ersten Bittsteller vor, eine große Frau im gleichen Alter wie die Herzogin. Und wenn der Schmuck, den sie trug, Rückschlüsse zuließ, war sie der Herzogin auch an Reichtum ebenbürtig. Und tatsächlich begrüßte die Herzogin die Frau beinahe wie eine Freundin, während Jeto die Angelegenheit umriss. Luerce hörte nicht zu. Er musste eine Aufgabe erfüllen, durfte es aber nicht wagen, eine offensichtlich so mächtige Frau zu unterbrechen.
Luerce war bei einem Kerzenzieher in die Lehre gegangen, aber dieses Handwerk hatte ihm nicht gefallen, obwohl er ein fleißiger Arbeiter und der Liebling der Kunden gewesen war. Er konnte
sehr gut mit Leuten umgehen, fand schnell Freunde und konnte ihnen ihre Geheimnisse entlocken. Der alte Meister hatte nicht mehr lang gelebt, nachdem Luerce seine Tochter geehelicht hatte.
Nun kümmerte sich seine Frau um die Kerzenzieherei. Es kamen so viele Fremde durch Byora, dass sich ständig Möglichkeiten für einen Mann mit wachem Geist und einer schnellen Zunge boten. Seine verbrecherischen Umtriebe hatten mehr Geld eingebracht als die Kerzenzieherei, doch als er einen Mann mit vernarbten Händen und einem noch wacheren Geist hereingelegt hatte, glaubte er, der Spaß wäre zu Ende. Die nächsten Tage hatte er im Bett verbracht, bis die Schwellung zurückgegangen war. Und während dieser schlaflosen, unangenehmen Nächte hatten die Schatten mit ihm gesprochen.
Seitdem hatte Luerce auf den Tag gewartet, an dem seine Dienste gebraucht würden. Unterdessen hatte er sein Netzwerk in der Stadt ausgebreitet und mitfühlend gelächelt, wenn er hörte, dass seine Rivalen von Geistern und dem Unglück verfolgt wurden.
Der zweite Bittsteller war ein Magier mit watschelndem Gang und einer Robe, die einstmals prächtig gewesen sein musste. Luerce wartete, denn er wollte dem Magier nicht in die Kandare fahren. Der dritte war ein schüchterner Händler, dessen gute Tage, nach der Kleidung zu urteilen, längst hinter ihm lagen.
Luerce drückte sich mit einem klagenden Jammern durch die Reihen und an dem Händler vorbei, um dann kurz vor dem Zeitpunkt, da Ilumene ihm eine weitere Tracht Prügel verpasst hätte, auf die Knie zu sinken.
»Euer Gnaden«, stöhnte Luerce. »Ich bitte um Verzeihung, aber ich kann nicht länger warten! Ich wurde verflucht, verflucht von einem rachsüchtigen Priester Tods. Meine Tochter liegt wegen seiner Boshaftigkeit zu Hause, hat die Tore Tods bereits halb durchschritten, und kein Heiler kann ihr mehr helfen.«
Die Menge hinter ihm kam bei der Erwähnung eines Fluchs in Bewegung. Die Wachen zu beiden Seiten wollten nähertreten, aber Ilumene hielt sie mit einer Handbewegung auf. Er war, wie von einer Leibwache zu erwarten, bereits vorgetreten und befand sich nun zwischen Ruhen und Luerce. Jetzt musterte er diesen, als wolle er ergründen, ob er verrückt sei oder nur verzweifelt. Er ist ein hervorragender Schauspieler , dachte Luerce.
»Und warum kommst du damit zu mir?«, fragte die Herzogin streng. Sie ließ sich von der Erwähnung eines Fluchs nicht einschüchtern. »Ich habe mit der Priesterschaft nichts am Hut.« Sie spie die letzten Worte förmlich aus, und Luerce wand sich. »Ich würde vorschlagen, du suchst dir einen Magier, der den Fluch aufhebt, oder eine Hexe, die dir ein Schutzamulett fertigt.«
»Das habe ich schon versucht«, heulte Luerce und Tränen liefen seine Wangen hinab. »Aber keiner konnte den Zauber
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