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Sturmauge

Sturmauge

Titel: Sturmauge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Lloyd
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»Meister, Ihr seid sehr schwach.«

    »Hab Vertrauen, Schwester. Wenn ich die Suche nach unserem kleinen Prinzen beginne, wird mich dieses Vertrauen wieder genesen lassen.« Kaum hatten die Worte seinen Mund verlassen, da erkannte er auch schon seinen Fehler. Es war viel zu früh, er durfte noch nicht gehen. Sein verzweifeltes Verlangen, Dohle loszuwerden, hatte ihn voreilig werden lassen. Er hatte noch lange nicht genug Harlekine gefunden. Seine Ungeduld konnte alles zunichtemachen.
    »Wir brechen auf, wann immer Ihr wollt, Meister«, sagte sie und zeigte auf ein halbes Dutzend Harlekine, die in der Nähe standen.
    »Dann bindet mir die Schwerter auf den Rücken«, verlangte Venn und zitierte damit die Worte einer Heldensage, die sie alle kannten. »Und lasst uns ziehen, wohin unser Meister uns führt.«
    »Nein«, sagte eine Stimme scharf. Es war die Priesterin. Sie wirkte erschöpft, ihre Stimme aber war noch immer voller Befehlsgewalt. »Es liegt zu viel Schnee. Eine Reise wird ihn das Leben kosten.«
    Die junge Harlekin-Frau funkelte sie an. »Das Schlimmste liegt bereits hinter uns.«
    Die Priesterin trat zu ihr hin und blickte auf sie hinab. »Er ist zu schwach. Er muss die Schneeschmelze abwarten.«
    »Wir werden ihn tragen. ›Die Starken sollen die Schwachen auf ihrem Rücken tragen, sich von den Schwachen führen lassen, denn sie erkennen den sichersten Weg‹«, zitierte die Harlekin-Frau.
    Über ihre selbstgerechte Frömmigkeit verzog Venn das Gesicht, auch wenn es ihn faszinierte, wie sie seine Worte für ihre eigenen Zwecke umdeuteten.
    »Seine Schwäche zeigt dir einen Weg, Kind«, antwortete die Priesterin triumphierend. »Seine Schwäche zeigt dir nämlich,
dass eine solche Reise erst im Frühling unternommen werden sollte.«
    Frühling? Kann ich mit Dohle in meinem Schatten so lange aushalten? , fragte sich Venn. Es dauert sicher bis zur Tag- und Nachtgleiche, bis der Schnee so weit im Norden zurückgeht … Er hielt inne, als ihm ein Gedanke kam. Das Fest der Tag- und Nachtgleiche, zu dem sich mehr Harlekine hier versammeln, als zu jeder anderen Zeit.
    Er hustete matt und unterbrach den Streit, indem er sagte: »Du hast Recht, Priesterin. Meine Schwäche sagt uns, dass wir noch warten sollten, dass erst noch weitere Predigten gehalten werden wollen. Wir sollten bis zum Fest der Tag- und Nachtgleiche bleiben, und wenn wir mit den Unseren gefeiert haben, dann brechen wir auf.« Er atmete schwer, und als er wieder zu Atem gekommen war, fuhr er fort: »Du wirst mit uns kommen, Priesterin, um die Seelsorge für jene zu leisten, die sich uns anschließen.« Und wir müssen so viel Wasser wie möglich aus dem Becken mitnehmen – die Harlekine, die wir unterwegs treffen, werden meine Macht infrage stellen, wenn sie nicht vorher von der Priesterin gesegnet werden.
    Die Priesterin verbeugte sich tief. »Ihr ehrt mich sehr, Meister«, sagte sie. Ihre Augen leuchteten vor Freude.
    Ich gebe dir alles, was du dir immer gewünscht hast , dachte Venn, während er sich ins Bett zurückhelfen ließ. Du hättest die heiligen Schriften aufmerksamer studieren sollen, Priesterin, denn das war schon immer ein Fluch.

25

    Der Abend brachte Byora einen Regen, der wie Nadelstiche wirkte, den kräftige Böen vor sich hertrieben. Zwei Männer kauerten im Schatten eines Schornsteins, hielten ihre gewachsten Mäntel über den Kopf und spähten über den Rand des Daches auf die Straße hinab.
    »Was denkst du?«, fragte Sebe, dessen Stimme wegen des prasselnden Regens kaum zu verstehen war. Er schob Doranei zur Seite, um neben ihm Platz an dem warmen Kamin zu finden, aber Doranei beachtete ihn nicht. Er hatte nur Augen für den Mann, den er durch ein Erdgeschossfenster auf der anderen Seite der Straße beobachtete. Trotz des Regens waren die Läden weit genug geöffnet, um die Straße von innen gut einsehen zu können.
    »Er ist sicher nicht wegen seiner Gesundheit hier«, sagte Doranei schließlich. »Sie wechseln sich an dem Fenster ab, wenn sie auch so unauffällig vorgehen, dass man es nur bemerkt, wenn man darauf achtet.«
    »Aber es gibt keinen Zweifel, oder? Verdammt. Was tun wir jetzt?«
    »Unsere Arbeit.« Doranei sah seinem Kameraden – wie er ein Mann des Königs – ins Gesicht und Sebe nickte widerstrebend. »Das sind keine Unschuldigen, die man zur Bewachung der Tür
abgestellt hat. Es sind Feinde. Diese Jungs mögen in der Überwachung nicht sonderlich geübt sein, aber sie sind auch keine

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