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Sturmauge

Sturmauge

Titel: Sturmauge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Lloyd
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dass Ihr zu lang darüber nachdenkt, denn mit jedem Augenblick wird er Euch schrecklicher erscheinen.«
    »Ich habe verstanden, jetzt sagt schon.«
    »Lordprotektor Torl ist ein treuer Diener. Er wird die Notwendigkeit erkennen. Er muss die Dunklen Mönche davon überzeugen, nach Süden zu ziehen und alle Fanatiker hinter sich herzulocken. Ich kann den Ausgang nicht vorhersagen, denn bei religiösem Wahn gelten die üblichen Regeln des Krieges, der Diplomatie und des gesunden Menschenverstandes nicht mehr.«
    »Ihr sprecht von einem Kreuzzug?«, fragte Isak – und die Bedeutung der Worte legte sich ihm mit dem Gewicht von Mühlsteinen auf die Schultern.
    »Ja, mein Lord. Um einen Bürgerkrieg hier in Tirah zu verhindern, muss die Bruderschaft der heiligen Lehre den Menin den heiligen Krieg erklären, damit sich ihr all die Mörder, Irren und eigennützigen Gewinnler aus der Priesterschaft anschließen –
und das werden sie tun, sobald wir das Gerücht gestreut haben, dass Lord Styrax mit Dämonen paktiert.« Er seufzte. »Und sie wird Lord Chalat, den Erwählten des Gottes Tsatach und abgesetzten Lord der Chetse, bitten, sie zu führen.«

24

    In der Herzoginnenkammer des Rubinturms war es kalt. Seit die Vorkammer auf die byoranischen Kleriker gestürzt war, fand sich der Saal dem Winterwind ausgesetzt, der durch die großen Doppeltüren zog. Eine kleine Gruppe Bittsteller betrat den Raum unter Jatos strengem Blick. Der Hofmeister des Turms war sich seiner unlängst zugewiesenen Aufgabe sehr bewusst. Luerce kam fast ganz am Ende, da er weder reich war noch einen Titel trug. Aber so konnte er die anderen wenigstens beobachten. Es galt, den richtigen Zeitpunkt abzuwarten, und Luerce hatte einen Blick für Menschenmengen.
    Er war ein dünner Mann, bleich und von schmalem Körperbau, so wie die meisten Litse, aber man bezeichnete sein Gesicht eher als verwaschen denn als porzellanartig, wie man es bei den anderen Angehörigen seines Stammes tat. Man konnte in diesem Gesicht leicht eine Schwäche erkennen, und so glaubten ihm die meisten, wenn er sie vortäuschte. Azaer hatte ihm den Wert von Schwäche nicht zeigen müssen, er hatte ihn bereits gekannt.
    Die Gruppe zu beiden Seiten der Tür bestand aus Arbeitern und einem fetten Mann mit einem breitkrempigen Samthut. Einige besserten kleinere Risse mit Gips aus, andere sahen dem Dicken zu, wie er auf eine weiß getünchte Wand malte. Er zog mit schmutzigem Wasser feine Linien darauf. Luerce konnte in den
Formen nichts erkennen, aber er musste dennoch ein Lächeln unterdrücken. Er malte Schatten, wo früher Götterbilder zu finden gewesen waren. Die Zerstörung der Vorkammer hatte gewaltige Mauerbilder von Tod und Ushull freigelegt. Die Herzogin war bei ihrem Anblick in wilde Raserei verfallen und hatte angeordnet, dass man sie noch zur selben Stunde übertünchen sollte.
    Jetzt saß sie auf ihrem Thron, Ruhen stand neben dem Stuhl, im Schatten von Sergeant Kayel. Luerce starrte Ruhen an und konnte kaum glauben, was er da sah. In diesem Augenblick sagte die Herzogin etwas zu dem Jungen und zog ihn zu sich auf den Thron, wo er neben ihr Platz nahm. Ruhen wirkte, als sei er fünf Winter alt und könne kein Wässerchen trüben, lächelte zur Herzogin hinauf, während diese sich zu ihm herunterbeugte, um ihn auf seine braunen Locken zu küssen. Von der Seite des Raumes aus sah eine verwirrte, grauhaarige Frau zu. Die Mutter des Kindes, wie sich Luerce entsann. Sie bestand nur aus Haut und Knochen und wirkte entmutigt, geradezu verloren. Er sah nur einen Schimmer von Geist in ihren Augen, und das reichte offenbar nicht aus, um der Herzogin ihr mütterliches Gehabe ihrem Sohn gegenüber übelzunehmen.
    Dann blickte Ruhen auf, sah Luerce direkt an, und ihm lief ein Schauer über den Rücken. Als ihn sein Meister in Augenschein nahm, wich das Scharren der Füße und das eilige Flüstern in den Hintergrund.
    »Ihr Götter dort unten«, keuchte Luerce. Vor ihm drehte sich die Frau mit einem fragenden Blick zu ihm um, aber er war so in den Schattenwirbel innerhalb seines Kopfes versunken, dass er sie kaum bemerkte.
    Er achtete darauf, seine Gedanken für sich zu behalten, als er sich erinnerte. Ich war an dem Tag vor wenigen Monaten auf dem Platz, als die Herzogin sich deiner annahm, und jetzt sieh sich einer an, wie sehr du gewachsen bist.

    »Wo ist die Dame Kinna?«, fragte die Herzogin laut und strich Ruhen gedankenverloren durchs Haar, als wäre er ein

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