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Sturmauge

Sturmauge

Titel: Sturmauge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Lloyd
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alle seiner Art war der Mann groß und kräftig, aber im Vergleich zu Isak sah er einem gewöhnlichen Soldaten ähnlicher. Es faszinierte Isak offensichtlich, seine eigene weiße Iris und die nadelstichgroße schwarze Pupille bei einem anderen wiederzufinden, doch Lesarl bemerkte, dass diese Aufmerksamkeit nicht willkommen war. Er fand in diesen Augen keinen verwandten Geist, sondern nur Eis.
    »Ich werde dort hineingehen und mich an einfachere Zeiten erinnern«, sagte Isak schließlich. »Aber lasst das Tor offen, wir erwarten einige Gäste. Sie dürfen keinesfalls aufgehalten werden. Sie sollen so schnell und unauffällig wie möglich in die Räume des Herzogs gebracht werden.«
    »Wie Ihr wünscht, mein Lord.« Der Mann verbeugte sich tief, warf einen Blick zu seinem Kameraden im Wachzimmer und ging dann zum halboffenen Tor.
    »Kommt«, sagte Isak zu Lesarl und bückte sich durch die kleine Tür in den engen Wachraum, wobei er den Türsturz nur knapp verfehlte. Er drehte sich um und verzog das Gesicht. Im letzten Jahr war er so sehr gewachsen, dass aus einem zu groß geratenen Jungen ein Riese von weit über zwei Schritt geworden war – und zugleich alles aus seinem früheren Leben geschrumpft zu sein schien.
    Ungelenk nahm Isak die zahlreichen Salutierungen entgegen, mit denen er auf dem Weg zur Großen Halle gegrüßt wurde. Er konnte die Unterwürfigkeit leicht hinnehmen, aber manchmal traf es ihn noch unvorbereitet, wenn alle Leute in einem vollen
Raum aufsprangen, um zu salutieren, sich zu verbeugen oder zu knicksen, kaum dass er in Sicht kam.
    Die Halle war fast voll, wie immer, seit Isak mit dem Heer zurückgekehrt war. Unzählige leicht Verletzte waren auf Karren, zu Pferd oder sogar zu Fuß hierher zurückgekehrt, um den Winter bei ihren Familien verbringen zu können und viele der Adligen, die dem Ruf ihres neuen Lords gefolgt waren, waren bei der Palastgarde untergekommen, bei der sie früher gedient hatten. Viele der Ritter und Leibwachen, die mit ihren Lehnsherren angereist waren, hatten nicht viel Geld für Unterkünfte übrig, vor allem, weil die schlauen Besitzer der Gasthäuser, die natürlich auch von Isaks Befehlen erfahren hatten, rasch ihre Preise verdoppelt hatten.
    Lesarl sah das als eine gute Sache an und hatte Kerin angewiesen, nach Möglichkeit für jeden Platz zu machen, der Weiß trug. Die Geister waren die besten Soldaten der Farlan — und so schickten viele der Adligen ihre Söhne zur Ausbildung zu ihnen. Fast die Hälfte aller Männer, die auf den Schlachtfeldern zum Ritter ernannt wurden, stammten aus den Rängen der Palastwache, und Lesarl wollte möglichst vielen Veteranen die Rückkehr schmackhaft machen. Diese Männer hatten ihre zehnjährige Dienstzeit abgeleistet und waren dann von den Lordprotektoren in ihre Leibwachen aufgenommen worden. Die Meinung dieser Männer wurde respektiert und es konnte nicht schaden, sie daran zu erinnern, dass ihre Treue sich vor allem auf die Truppe zu beziehen habe.
    Zuerst galt es, drei Marschälle mit weißem Kragen persönlich zu begrüßen sowie einen neuen Rekruten, Erbe Tebran, dessen Vater, der Lordprotektor, trotz der Flecken auf seinem Wams seinen Mund noch oft genug getroffen hatte, um völlig betrunken zu sein. Dann verließ Isak die Halle durch die Hintertür und ging den langen, kalten Flur bis zum dräuenden Eingang des Turms, der neben der Treppe zu den privaten Gemächern lag.

    Im Gang hingen mehrere allmählich verrottende Flaggen, nur die grün-goldene Standarte der Königsgarde Narkangs war neu und prächtig. König Emin von Narkang hatte sie Isak als Zeichen der Freundschaft zum Geschenk gemacht, nachdem Isak bei der Abwehr des Putsches des Weißen Zirkels geholfen hatte.
    »Daneben sehen die anderen ganz schön verkommen aus, was?«, fragte Isak und wies auf die Flagge.
    »Soll ich anordnen, dass man die anderen ersetzt? Einige gehören zu aufgeriebenen Legionen, aber wir können mit Leichtigkeit Nachahmungen anfertigen lassen.« Lesarl blieb stehen und wandte sich der Flagge zu, die der Großen Halle am nächsten hing. Sie war so alt und schmutzig, dass man die blauen und grünen Zickzackstreifen am Rand kaum noch ausmachen konnte, aber es reichte doch aus, um sie zu erkennen. »Mein Lord, dies ist die Flagge der Eberjäger, eine der ältesten Legionen leichter Reiterei aus Tildek.«
    »Gibt es sie noch?«
    »Jawohl, allerdings sind sie nicht mehr ganz so glorreich wie damals, als man ihre Flagge hier aufhängte. Sie

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