Sturmauge
Entschuldigung zu sagen.
»Schon gut«, sagte er rasch. »Du bist nicht hier, um Wache zu halten.«
Sie knickste und straffte sich in Erwartung der Frage, die er stellen würde. Isak zögerte noch. Er konnte sich nicht an ihren Namen erinnern. Sie war eine Freundin Tilas, die Tochter eines Marschalls aus der Gegend. Er wusste, dass Tila ihm den Namen genannt hatte – aber man hatte ihm so vieles gesagt, seit er nach Tirah zurückgekehrt war.
»Wie geht es ihm?«, fragte er endlich.
»Er ist noch immer schwach, mein Lord.« Ihre Stimme erinnerte ihn an Tilas, war zwar weniger melodiös, aber sie sprach mit der gleichen harschen Betonung, die für den Landadel so typisch war. Die Zofen des Hauptflügels stammten üblicherweise aus den oberen Klassen. »Die Wunden Eures Vaters sind nicht wieder aufgebrochen, und es gibt keine Anzeichen für eine Entzündung.«
»Aber sie heilen auch noch immer nicht, oder doch?«
»Nein, mein Lord.« Sie senkte den Blick und presste die gefalteten Hände auf ihren Bauch.
»Waren die Priester Shotirs noch einmal hier?«
»Ja, mein Lord. Heute hat nur einer von ihnen geweint, als sie wieder gingen.«
Isak rang sich ein Lächeln ab. »Dann werden sie wenigstens langsam etwas härter im Nehmen.« Das Lächeln verblasste. »Das werde ich wohl nur zu bald einfordern müssen. Schläft er denn?«
Sie nickte.
»Gut. Bitte entzünde die Lampen und sage der Küche, sie sollen etwas Heißes hochschicken, und zwar genug für mehrere Personen.«
Während sie sich um die Lampen kümmerte, sah Isak nach
seinem Vater. Horman lag auf dem Rücken, den Kopf zur Tür gewandt. Das zersauste Haar hing ihm ins Gesicht. Er hatte stets in einer seltsam ausgebreiteten Haltung geschlafen, aber jetzt wurde er von Verbänden ziemlich eingeschränkt und lag da, als wolle er sich gegen sie wehren. Der stechende Gestank von Schweiß hing in der Luft, denn die schweren Vorhänge an den Fenstern hielten nicht nur die Wärme innen, sondern schlossen auch die Luft ein, die dadurch abgestanden und schal wurde.
Kalt kroch die Schuld Isaks Rücken hinab. Hormans linke Hand war am Handgelenk abgeschlagen worden, die Wunde aber wollte einfach nicht vollständig verheilen. Der rechte Ellbogen war mehr schlecht als recht wiederhergestellt worden, und die alte Verletzung an seinem Knie schien nur unmerklich schlimmer geworden. Aber insgesamt hatte die Besessenheit durch den Dämon den größten Schaden an der Gesundheit seines Vaters verursacht. Er war in den Wochen nach Screes Untergang sichtlich verfallen und wirkte nun so schwach und blass wie ein Leichnam. An den meisten Tagen war er sogar zu kraftlos, um zu essen, und so schaffte er selten mehr als einige Mundvoll.
»Werden sie alle so enden?«, murmelte Isak. »Zerschlagen und jenseits jeglicher Hilfe durch Heiler? Vielleicht soll sich das Todesomen dieser Nacht noch als Rettung für meine Freunde herausstellen.«
Vor der Tür erklang das scharfe Klicken von Hellebarden auf dem Steinboden. Die Wachen ließen ihn wissen, dass seine Freunde eingetroffen waren, denn bei jedem anderen wäre eine ausgesprochene Begrüßung vonnöten gewesen. Er schloss die Tür zum Zimmer seines Vaters und rieb sich das Gesicht, um wacher zu werden.
»Mein Lord?«, fragte Tila und kam vorsichtig in den Raum, neben ihr Graf Vesna. Die beiden trugen noch immer ihre formelle
Kleidung, aber Tila hatte nun eine dicke Wolldecke über ihr graues Kleid aus mehreren Lagen Seide gewickelt. Sie hatte die mit goldenen Blüten geschmückten Haarnadeln herausgenommen, und ihre langen, dunklen Locken hingen ihr nun bis zur Taille.
»Seid ihr meinetwegen wach geblieben?«
»Die Wachen am Tor haben uns Bescheid gegeben, dass Ihr zurückgekehrt seid«, sagte Tila und warf einen Blick auf die Tür zu Hormans Raum.
»Es geht ihm gut.« Isak bemerkte, dass sie nur zu gern gefragt hätte, wo er gewesen war, aber sie wusste, welche Stellung sie in seinem Kreis der Vertrauten einnahm. Als Herzog von Tirah war Isaks Wort Gesetz, und danach mussten sie alle sich richten.
»Mein Lord?«, wiederholte Vesna und behielt das Weißauge ebenfalls im Blick.
Die Zofe bemerkte den Tonfall des Grafen und verabschiedete sich mit einem Knicks von Isak, ohne auf einen Blickwechsel mit Tila zu warten. Als die Tür geschlossen war, nahm Isak sein Wams und Eolis ab und warf dann weitere Scheite ins Feuer.
»Isak«, sagt Vesna vertraulich, jetzt, da sie allein waren. »Du wirkst besorgt.«
»Mein Freund, wann hast
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