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Sturmauge

Sturmauge

Titel: Sturmauge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Lloyd
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du mich das letzte Mal nicht in Sorge gesehen?«
    »Schluss damit«, sagte Vesna bestimmt. »Wie ist das Treffen verlaufen?« Der Graf trug sein Breitschwert nicht, aber sein Wams war wie zuvor bis zum Hals geschlossen.
    Das Weißauge zögerte. Etwas an dem berühmten Krieger wirkte verändert. Er dachte darüber nach. »Du trägst deine Ohrringe nicht«, schloss er dann und wies auf Vesnas linkes Ohr, in dem sonst zwei goldene Ohrringe Auskunft über seinen Rang gaben. »Ich hoffe, ich habe euch mit meiner Rückkehr nicht bei etwas Wichtigem gestört?«

    »Nein, mein Lord«, sagte Vesna ausdruckslos.
    »Gut. Sie ist noch immer unverheiratet, daran erinnerst du dich doch sicher?«
    »Ja, mein Lord«, antwortete Vesna und ging nicht auf Isaks Stichelei ein.
    »Isak, was ist geschehen?«, fragte Tila, um das Thema zu wechseln. »Ist alles in Ordnung?«
    Schwer ließ sich das Weißauge auf einen dem Paar zugewandten Stuhl sinken. Wegen dem Chaos nach dem Vorfall in Scree hatten sie ihre Verlobung noch immer nicht verkündet. Eine ernste Stimmung lag über der Stadt, die vom nahenden Winter verstärkt wurde. Er wusste, dass sie auf die von Lord Bahl angebotene und von ihm bestätigte Staatshochzeit gerne verzichtet hätten, aber keiner von ihnen wollte dieses Thema ansprechen, solange die Trauerzeit noch anhielt. Die Farlan hatten viele Soldaten, Männer und Frauen verloren – und die Urnenstapel im Tempel von Nartis waren hoch. Die Priester hatten keinen Trost zugesprochen, um die Wut und Verachtung zu zerstreuen, die sich wie eine schwarze Wolke ausbreitete.
    »Ihr wisst von meinen Träumen«, sagte Isak schließlich. »Ich wurde daran erinnert.«
    »In welcher Form?«, fragte Tila besorgt.
    »In besonders eindruckvoller Form. Aber das soll uns heute Nacht nicht beschäftigen. Wichtiger ist: Xeliath hat die Stadt betreten.«
    »Xeliath? Sind Morghien und Mihn bei ihr?«
    Isak schüttelte den Kopf. »Ich weiß es nicht, aber ich hoffe es. Ich freue mich darauf, Mihn wiederzusehen.« Er stellte sich den ordentlichen kleinen Mann mit dem ruhigen Gesichtsausdruck und den akrobatischen Fähigkeiten vor, dessen Gedächtnislücke in der abschließenden Prüfung dafür gesorgt hatte, dass ihn die Harlekin-Clans ausgestoßen hatten. Seit er in Isaks Diensten
stand, hatten sich Mihns Talente als sehr nützlich erwiesen, ebenso wie seine bedingungslose Freundschaft. Ja, es wird gut sein, Mihn wieder in meinem Schatten zu wissen.
    »Sollen wir bei Eurem ersten Treffen dabeisein?«
    »Dies ist keine arrangierte Hochzeit, wir verhandeln nicht über die Bedingungen«, sagte Isak müde. »Ich bin sicher, dass sie alle mindestens eine Woche durchschlafen wollen – wir warten nicht auf wichtige Neuigkeiten, außerdem wird die Reise Xeliaths Gesundheit in Mitleidenschaft gezogen haben.«
    »Sollen wir gehen?«
    Isak seufzte, streckte die Beine aus und legte sie auf einem schlanken Mahagonitisch ab, der unter dem Gewicht bedrohlich schwankte. »Bleibt bitte.« Er streckte den Hals und drehte den Kopf hin und her, um die Verspannungen loszuwerden. »Ich möchte heute Nacht nichts mehr reden müssen, nur bei meinen Freunden sitzen und so tun, als wolle mich nicht das ganze Land tot sehen – zumindest, bis sie eintreffen.«
     
    Die einsame Gestalt auf der Zugbrücke, ein Wachmann, ging mit langen, gemessenen Schritten in der stillen, kalten Nacht auf und ab, während er darauf wartete, dass die Stadt erwachte. Es war schon weit nach Mitternacht und die Straßen lagen verlassen da. Alterr verbarg sich hinter Wolken, und Kasi war schon lange untergegangen. Der Soldat widerstand dem Verlangen, den Kopf zu drehen, um zu dem Wachraum hinüberzusehen, in dem sein Wachkamerad im Warmen saß. Am Ende der Zugbrücke ging er sofort wieder rückwärts, die Augen beständig auf die Straße vor sich gerichtet.
    Dass er ein Weißauge war und darum wenigstens nicht die eisigen Straßen entlangpatrouillieren musste, verbesserte seine Laune keineswegs. Als er schließlich in der Ferne eine Bewegung bemerkte, stieß er ein verärgertes Zischen aus, das lauter wurde,
als sich die von Pferden gezogene Kutsche in etwas mehr als Schrittgeschwindigkeit dem Platz der Vorburg näherte.
    Zwei Gestalten saßen auf dem Kutschbock und auf dem Dach lag kein Gepäck. Die Kutsche war schlicht, also saß kein Adliger darin, nur ein Händler mit etwas zu viel Geld. Die Gestalten trugen Kapuzenmäntel und hatten sich gegen die Kälte zusammengekrümmt, wodurch ihre

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