Sturmauge
hinuntersah. Die andere Tür, auf der rechten Seite, führte in den Schankraum – Isak konnte ein Streitgespräch auf der anderen Seite hören – aber sie war verschlossen und verriegelt.
Isak wartete nicht auf Lesarl, sondern zog sich die Kapuze tief ins Gesicht und trat vorsichtig auf die Straße hinaus. Bürgers Tochter hatte sich vermutlich schon umgesehen, aber das beruhigte Isak wenig, denn das, wonach er suchte, hätte sie nicht bemerkt, geschweige denn etwas dagegen unternehmen können. Mit zwei Schritten war er an der Häuserecke angelangt und konnte aus dem Schatten um die Taverne herum die ganze Straße einsehen, die jedoch leer war. Seine scharfen Augen und Ohren bemerkten nichts Ungewöhnliches, nur das gelegentliche Tropfen von Wasser.
Mit dem Einbruch der Nacht war es kälter geworden, und so lag eine glasige Schicht auf den Pflastersteinen. Der Regen des Tages war einem leichten Nebel in der Luft gewichen, der das gelbe Mondlicht des hochstehenden Alterrs auffing. Isak wollte sich eben in Bewegung setzen, als er aus dem Augenwinkel eine Bewegung bemerkte. Er sah nach links, den Weg entlang, den er nach Hause hatte einschlagen wollen, da die Straßen nun leer waren. Gut hundert Schritt von ihm entfernt, stand etwas im Dunkeln.
Ein ungutes Gefühl nahm ihn in Beschlag. Es war kein Mensch, der dort stand. Der Körper war vollständig schwarz, im Nebel beinahe unsichtbar, trotzdem konnte er erahnen, dass es auf allen
vieren stand. Erinnerungen an den Tempelplatz von Scree erschienen vor seinem inneren Auge, von dem grausamen Gemetzel im Feuerlicht, das vom Brennenden Mann ausgegangen war und die schrecklichen Gestalten um ihn herum und in der Ferne beleuchtet hatte, an die lauernde, gebückte Gestalt des Großen Wolfes.
Isak konnte jetzt wenig mehr ausmachen als einen Umriss und glühende Augen in der Dunkelheit. Das Mondlicht erreichte die Gestalt nicht, und der Nebel verbarg sie. Der schwarze Hund, mochte Isak ihn sich auch nur einbilden, bewegte sich nicht. Er stand einfach da und starrte Isak mit gespenstischem Blick an.
»Mein Lord?«
Isak erschrak so sehr, als die Frage erklang, dass sein Herz kurz aussetzte, bis er erkannte, dass es doch nur Lesarl war, der hinter ihm stand und ihm einen fragenden Blick zuwarf.
»Seht!«, sagte Isak rasch und wies die Straße entlang. Aber als er selbst wieder dorthin sah, wo der schwarze Hund gestanden hatte, blieben ihm die weiteren Worte im Hals stecken. Die Straße war leer und lag still da. Isak starrte auf die Stelle, suchte mit den Blicken dann vergeblich die Straße ab.
»Was ist da?«, fragte Lesarl, während er Isaks Fingerzeig folgte, der die Hand noch immer erhoben hielt.
»Ich … ich bin nicht sicher«, gab Isak zu. »Da war …« Er verstummte. Ich dachte, ich hätte einen gespenstischen Hund dort gesehen . Aber das waren keine Worte, die er an seinen Haushofmeister richten wollte. Eilig öffnete Isak seine Sinne für das Land und breitete sie aus. Vom Geschmack des Frostes und dem Schlamm in der Luft abgesehen, nahm er nur Beschwörer im Raum über sich wahr, ein schwaches Aufflackern von Magie, das stärker wurde, als sie seine Suche wahrnahm. Sonst gab es nichts. Isak sandte seine Sinne so weit er konnte, hoffte etwas zu spüren,
das so ähnlich war wie Morghiens Geister, als sie seinen Verstand berührt hatten. Aber er spürte gar nichts.
»Da war?«, wiederholte Lesarl ruhig. Der Mann hatte unter Bahls Herrschaft genug miterlebt, um den Instinkt seines neuen Lords nicht infrage zu stellen.
»Ich dachte, ich hätte etwas gesehen, aber ich habe mich wohl geirrt«, sagte Isak mit fester Stimme.
»Ihr wirkt aber nicht wie ein Mann, dessen Vorstellungskraft ihm gerade etwas vorgegaukelt hat. Was saht Ihr also?«
Isak funkelte den Mann böse an, aber Lesarl wartete geduldig, bis das Weißauge die Luft ausstieß, mit dem Atem auch den Ärger an die Nachtluft abgab.
»Was soll ich Euch erzählen? Was ich gesehen habe, war verschwunden, als ich wieder hinsah und alles, was dazu fähig ist, ohne dass ich etwas spüre, liegt doch wohl ein bisschen außerhalb Eurer Erfahrungswelt.«
»Das sehe ich ein, mein Lord«, sagte Lesarl und senkte den Kopf. »Aber ich möchte die Last, die sich in Eurem Gesicht widerspiegelt, gern mit Euch teilen. Kein Mann sollte so gehetzt wirken …« Er verstummte, als Isak freudlos auflachte.
»Gehetzt? Ja, das könnte sogar stimmen.« Er trat näher heran und beugte sich vor, um Lesarl in die Augen zu
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