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Sturmauge

Sturmauge

Titel: Sturmauge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Lloyd
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erinnerte.
    »Kreuzpentamter« stimmte das Weißauge zu. »Ein merkwürdiges Stilmittel, aber eines, das von verschiedenen Generationen der Elfendichter stets wiederbelebt wurde. Deverk Grast selbst war kein Dichter, aber sein Vater war ein Gelehrter, und ich wette, dass der Mann seinem Sohn etwas Bildung eingefl ößt hat.«
    »Also erkannte er das Stilmittel in dem Rätsel wieder.«
    »In der Tat. Allerdings stimmt entweder mit meinem Verständnis des Stilmittels oder mit dem Rätsel selbst etwas nicht.«
    »Wie das?«
    »Das Stilmittel gibt einen bestimmten Rhythmus der Zeilen vor, der alle fünf Zeilen wiederholt wird, aber hier wird dieser Rhythmus nicht in jeder Zeile gewahrt.«
    Bernstein dachte mit offensichtlicher Verwirrung nach, die erst verschwand, als Lord Styrax ihn leise erinnerte: »Denk dran, die Nachricht soll gelesen werden.«
    »Die Fehler sind Absicht?«
    Styrax nickte und wies auf die erste Zeile. »Der erste Fehler ist sehr offensichtlich. Der Satzbau ist völlig durcheinander, aber auf Menin gelesen würde er lauten: ›Im Kampf wird dem Himmel ein Spiegel vorgehalten, das Leben blüht durch das Bemühen. ‹«
    »Das klingt vertraut«, sagte Bernstein nachdenklich. »Oh … das ist eine Abwandlung der ersten Zeile der Grundsätze der Kriegsführung .« Seine Augen fingen zu leuchten an. »Die Nachricht nutzt eine Verweisverschlüsselung! So eine, bei der zwei Männer die gleiche Ausgabe eines Buches besitzen und dann mit
Ziffern auf Seiten und Worte verweisen können. Selbst wenn die verschlüsselte Nachricht abgefangen wird, ist sie doch ohne das Wissen um das richtige Buch nutzlos.«
    »Genau, und diese Nachricht bezieht sich auf eine Schrift, die ursprünglich aus einer Sammlung von fünfundfünfzig Rollen bestand. Und das ist genau die Zahl fehlerfreier Kreuzpentameter. Aber Grundsätze der Kriegsführung ist strenggenommen kein Werk eines Gelehrten. Der Verfasser will einen Krieger, der die großartige Arbeit Eraliaves erkennt – und einen Gelehrten, der um die richtige Verwendung von Kreuzpentametern weiß.«
    »Und die fehlerhaften Zeilen?«
    »Finten für diejenigen, die auf die richtige Vorlage kommen, aber nichts über Kreuzpentamter wissen.«
    »Oh«, sagte Bernstein und war ein wenig enttäuscht. »Ich hätte mehr erwartet. Der Verfasser war ein außergewöhnlicher Denker und wollte offensichtlich, dass jeder dies auch erkannte. Ich hätte keine solche Verschwendung von ihm erwartet.«
    Styrax musterte das Gedicht eine Weile angestrengt, dann nahm er sich eines der Pergamente, an denen er gearbeitet hatte. Es war mit dichten Reihen von kleiner, sauberer Handschrift gefüllt. »Vielleicht …«, sagte er leise, beendete den Satz aber nicht. »›Die größte Reichweite bedarf eines zweiten Schrittes.‹ Könnte das …«
    »Gibt es ein Problem?«
    Styrax blickte abgelenkt auf. »Problem? Nein, ganz und gar nicht. Im Gegenteil. Ich glaube, du hast mich davor bewahrt, mich zum Narren zu machen.«
    Bernstein war zu verwundert, um sich zu freuen. Er hatte nie im Leben erwartet, diese Worte aus dem Mund des Lords der Menin zu hören. Styrax wandte sich wieder seiner Seite zu, und erst da erinnerte sich Bernstein daran, den Mund wieder zu schließen.

    »Äh, ich bin froh, wenn ich helfen konnte«, murmelte er wie benommen, bekam aber keine Antwort. »Ich beschäftige mich dann wieder mit meinem Buch, ja?«
     
    Die Dunkelheit brach herein, und Byora lag still. Eine unterschwellige Angst erfüllte seine Straßen und hielt die meisten Leute in ihren Häusern. Es hatte sich wie eine Plage in der Stadt herumgesprochen, dass die Farlan-Armee heranmarschierte. Die Vorbereitungen der Soldaten überall in der Stadt vertrieben die Hoffnungen derer, die gebetet hatten, dass es nur ein Gerücht sein möge. Einheiten der Byoranischen Wache stapften als Warnung für Aufrührer durch jedes Viertel und die Söldner und Haussoldaten aus Münze wurden in die Regimenter eingezogen. Alle in Hale verbleibenden Pönitente wurden entwaffnet, sobald man sie erblickte.
    »Glaubst du wirklich, dass er hinter Ilumene her ist?«, flüsterte Sebe. Doranei und er versteckten sich im tiefen Eingang des Derager Weinhandels und vergewisserten sich, dass die Luft rein war, bevor sie es wagten hinauszutreten.
    Doranei zuckte mit den Schultern und spähte weiter durch das schmale Fenster nach draußen. »Was sonst? Ich weiß nicht, ob er einen Boten vorschicken wird, um mit Lord Styrax zu verhandeln, aber er hat die

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