Sturmauge
Armschiene losbekommen und riss sich den Verband vom Handgelenk. Dann holte er einen tränenförmigen Rubin hervor und hielt ihn hoch. »Er gab mir dies hier. Ich muss mir damit nur in die Wange schneiden, um den Handel zu besiegeln.«
»Und was würdest du dann tun?«, fragte Isak leise. »Dich allein mit einer ganzen Armee anlegen? Würdest du Rücken an
Rücken mit dem Gott des Krieges stehen, während ihr beide seinen eigenen Erwählten und einen Drachen bekämpft? Du weißt nicht, ob er dich überhaupt bemerken wird.«
»Ich verschaffe dir eine Chance«, behauptete Vesna, und die Gefühle ließen seine Stimme heiser werden. »Wenn wir nichts tun, werden wir alle sterben!«
»Ich weiß.« Isak ließ die Worte kurz im Raum stehen.
Er winkte Lahk zu sich und sagte: »General Lahk, ich schätze Euch als einen Mann, der Befehlen folgt, zur Not bis in den Tod. Liege ich damit richtig?«
Der General schwieg, nickte aber knapp. Er hatte den Helm noch auf, darum konnte Isak seine Züge nicht sehen, aber es hätte ihn gewundert, wenn sie nicht so ausdruckslos wie immer waren.
»Gut. Wenn Ihr diesen Befehl nicht befolgt, so werde ich Euch auf der Stelle töten. Habt Ihr verstanden?«
»Isak!«, rief Vesna verzweifelt, aber das Weißauge hob die Hand, um ihn zum Schweigen zu bringen.
»General Lahk, blast zum Rückzug«, fuhr Isak fort. »Führt die Männer den Weg zurück, den wir gekommen sind. Ihr werdet … Ihr werdet nicht innehalten, für nichts und niemanden. Diese Schlacht ist verloren, wir können nur noch retten, was übrig ist. Habt Ihr verstanden?«
Lahk nickte erneut und wandte sich an den Hornbläser zu seiner Seite. »Blast für alle Legionen zum vollen Rückzug«, sagte er ernst.
»Vesna, mein Freund«, fuhr Isak fort, während die Hornstöße des Befehls erklangen. »Egal, was du auch tust, welchen Handel du auch abschließt, du kannst dem Heer nicht die Zeit verschaffen, die es bräuchte. Du musst dieses Heer von der Front wegführen – oder ich werde auch dich töten.«
»Aber …«
»Genug.« Isak hob Eolis und zog den Schädel ab, der um den Parierschutz wie eine Eisschicht herumlag. »Nimm Jagd mit dir. Es reicht, wenn dem Feind ein Schädel in die Hände fällt.«
»Du kannst doch nicht …«, sagte Vesna matt.
»Ich kann.« Isak lächelte, als die Last des Landes von seinen Schultern wich. Der Drache kam stetig heran, aber es blieb noch Zeit. »Ich war nie ein guter Spieler, mir fehlt die Geduld dafür, aber wie es scheint, werde ich meine Lektion nun auf die harte Tour lernen. Carel pflegte zu sagen, dass man die Güte eines Mannes an seinen Freunden erkennt – ich weiß nicht, was das über meine Jugend aussagt, denn damals hatte ich keine Freunde. Aber heute hoffe ich, dass er damit Recht hat.«
Er glitt aus dem Sattel und reichte Vesna die Zügel. »Ich werde das größte Spiel wagen, das es gibt, aber endlich habe ich keine Angst mehr. Ich vertraue auf meine Freunde, um es zu einem Ende zu bringen.«
Er streckte Vesna beklommen den Arm hin, der erst entsetzt darauf starrte und ihn dann ergriff.
»Leb wohl, mein Freund«, sagte Isak schlicht. »Danke.«
Dann drehte er sich herum und schritt auf die Reihen der Menin zu. Die Farlan-Ritter machten ihm Platz. Einige starrten den in Silber gehüllten Riesen verwundert an, andere salutierten. Er hörte, wie sich sein letzter Befehl durch die Legionen ausbreitete … und dann den Lärm, mit dem ihn die Männer eilig befolgten.
Auch Vesna hörte die Töne, die zum vollen Rückzug riefen, aber er konnte sich nicht damit befassen, nicht einmal, als ein Leibgardist seinen Arm umfasste und ihm etwas ins Gesicht schrie. Er verstand die Worte des Mannes nicht …
Dann brüllte General Lahk: »Graf Vesna, Ihr habt Eure Befehle! Führt sie an, Mann!« Er schüttelte Vesna.
Der sah zu dem Mann auf, der ihn in all den Jahren seines
Dienstes als Geist befehligt hatte. Er senkte unwillkürlich den Blick auf den Rubin in seiner Hand, dann blickte er wieder zu Isak hin, der ruhig auf die feindliche Armee zuging, bereits in zuckende Blitze gehüllt.
Mögen die Götter dich schützen, mein Freund , dachte er und schnitt sich mit dem Rubin in die Haut unter dem Auge. Ein ungewöhnlich starker, beißender Schmerz breitete sich von der kleinen Wunde aus, und er zog die Hand schnell zurück, nur um zu bemerken, dass der Rubin in seinem Gesicht geblieben war. Er versuchte ihn wegzuziehen, aber er war nun mit seiner Wange verbunden – doch
Weitere Kostenlose Bücher