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Sturmauge

Sturmauge

Titel: Sturmauge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Lloyd
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nicht kennst.« Sie musterte ihn nachdenklich.
    Ilumene nickte einmal kurz. Das war alles, was Herrscher als Antwort auf ihre Fragen brauchten.

    Die Herzogin wandte sich Haipar zu und legte ihr beruhigend die Hand auf die Schulter. Der Soldat hinter ihr brummte missbilligend, aber sie verwarf seine Sorge mit einer Handbewegung. »Fohl, du bist manchmal so eine Glucke! Es ist doch offensichtlich, dass sie sich kaum auf den Beinen halten kann.« Sie hob Haipar vorsichtig auf die Füße. »Bist du verletzt?«, fragte sie.
    Haipar blickte sie ängstlich an, ihr Blick zuckte zwischen der Herzogin und Ilumene hin und her, dann schüttelte sie den Kopf.
    »Und dein Kind?« Die Herzogin schob das Tuch, das auf dem Gesicht des Säuglings lag, vorsichtig beiseite. Ilumene blieb beim Anblick der engelsgleichen Züge der sterblichen Gestalt Azaers die Luft weg. Er blickte zu der Herzogin auf und verzog den Mund zu einem bezaubernden Lächeln. Ilumene spürte den hypnotischen Blick Azaers sogar aus einigen Schritten Entfernung noch, als die Herzogin tief in seine schattenhaften Augen sah. Ilumene erschauderte bei der Erinnerung daran, wie er das Gleiche zum ersten Mal getan hatte.
    »Ich …« Die Herzogin klang verblüfft. »Dein Kind ist wunderschön.«
    »Er ist ein Prinz«, flüsterte Haipar. An ihrer eintönigen Stimme war nicht zu erkennen, ob sie verstand, was dieses Wort bedeutete. Sie hatte den Satz immer wieder gehört, bis sie ihn auswendig gelernt hatte und nicht mehr vergessen konnte, auch wenn alles andere ihrem Geist entglitt.
    Die Herzogin nickte wie betäubt. Nach einigen Augenblicken blinzelte der Säugling — und der Zauber war gebrochen.
    »Ja, in der Tat ein Prinz. Ich habe nie ein schöneres Kind gesehen. Wie heißt er? Wie alt ist er, sechs Monate?«, fragte die Herzogin von Escral mit sanfter Stimme und wirkte nun wie vernarrt.
    Haipar schüttelte den Kopf, und Ilumene musste sich zusammenreißen, um ihr keine Ohrfeige zu verpassen.

    »Einen Monat alt«, flüsterte sie. »Er heißt Ruhen.«
    »Erst einen Monat alt?« Die Herzogin warf Ilumene einen zweifelnden Blick zu, der ihn nur erneut mit den Schultern zucken ließ. »Ich glaube, du hast ein wenig das Gefühl für die Zeit verloren, meine Liebe. Dein Kind ist älter als ein Monat.«
    Haipar wollte erneut den Kopf schütteln, aber da fiel ihr Blick auf Ilumene, der sie anstarrte, und sie sank mit gerunzelter Stirn in sich zusammen.
    »Bist du sicher?«, fuhr die Herzogin freundlich fort. »Nun, es spielt ja auch keine Rolle. Ich denke, wir werden alle mit dem Alter ein bisschen verwirrter. Komm, steig in meine Kutsche, denn ich könnte nicht mehr schlafen, wenn ich ein so hübsches Kind heute Nacht hungern ließe. Es ist zu kalt und gefährlich auf der Straße für ein so junges Ding.« Sie rang sich ein Lachen ab. »Und wir dürfen nicht vergessen, dass ein einziger Schrei von ihm einen alten Soldaten dazu brachte, sich mit einer Armee anzulegen. Stell dir nur vor, welcher Ruhm auf Ruhen wartet, wenn er erst zu sprechen lernt.«
    Größerer Ruhm, als du dir vorstellen kannst, Schlampe , dachte Ilumene. Es wird dir noch leidtun, dass du diese Worte so unbedacht sprachst. Wenn du deinen Zweck erst erfüllt hast, wird deine einzige Freude darin bestehen, dass ich dich auf deinem Thron ficke, und dieser Schlappschwanz von Herzog sieht dabei zu, während er zu unseren Füßen sein Leben ausblutet. Und dann wirst du dich zu ihm gesellen …
    »Hauptmann Fohl, vielleicht habt Ihr für jemanden, der so gut kämpft wie Meister Kayel, einen Platz in der Wache? Ich bin sicher, dass wir eine bessere Bezahlung bieten können als die meisten Händler. Er hat sein Können bereits unter Beweis gestellt.«
    Sie winkte nachlässig zu den gefallenen Soldaten hinüber. Einer war offensichtlich tot, die anderen beiden noch immer ohnmächtig.

    Der Hauptmann war von der Idee, einen unbekannten Söldner in seine Truppe aufzunehmen, sichtlich nicht begeistert, aber er war zu schlau, um mit seiner Herrin darüber zu streiten. Wenn sie einen Entschluss gefasst hatte, gab es keine Diskussionen mehr.
    »Ich wage zu behaupten, dass wir schon irgendwo eine Uniform finden werden, die ihm passt«, grollte Fohl. Er war ein drahtiger Mann, über vierzig Winter alt, mit blondem Haar, das langsam grau wurde. Das Gelb seines linken Auges war getrübt.
    »Was sagt Ihr dazu, Meister Kayel?«, fragte die Herzogin. »Der Rubinturm braucht mehr Wachen als die meisten Händler, und auch

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