Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Sturmauge

Sturmauge

Titel: Sturmauge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Lloyd
Vom Netzwerk:
Das klang ernstlich besorgniserregend. »Und was kann ich tun, meine Dame?«
    »Ich habe einen Handel vorzuschlagen«, sagte Schicksal. »Die Fehler der Vergangenheit sollten nicht wiederholt werden. Unser größtes Versäumnis im Großen Krieg war es, am Anfang nicht gut genug aufgepasst zu haben. Unsterbliche sind nicht für die einfachen Dinge eines sterblichen Lebens geeignet, und doch ist genau dies der Ort, an dem in Kürze die Schlachten geschlagen werden.«
    Die Göttin hielt inne und musterte Leganas Kleidung, die im Vergleich zu Schicksals dunkelgrünem Kleid, das sie in einer Brise, die Legana nicht spürte, wehend umschlang, noch schäbiger aussah. Dann sagte sie: »Ich möchte, dass du dich mit mir verbindest. Sonst greife ich selten auf Priester oder heldenhafte Streiter zurück, aber ich glaube, dass dies – und noch mehr – nun notwendig sein wird, wenn wir in den kommenden Schlachten nicht ins Hintertreffen geraten wollen.«
    »Die kommenden Schlachten? Und was meint Ihr damit, dass ich mich mit Euch verbinden solle?«
    Schicksal zögerte. »Wir haben das Zeitalter der Erfüllung erreicht, und ich kann noch nicht sehen, was geschehen wird. Es gibt so viele Möglichkeiten, und die Auseinandersetzungen sind sich so ähnlich. Ein dunkles Omen erwächst aus dem nächsten.
Es gibt keinen einzelnen Feind, sondern es gilt, einen Wirbelsturm des Möglichen zu entwirren, zu verstehen und zu verzeichnen. Die Götter haben sich entzweit. Sie verfolgen unterschiedliche Ziele und sind nicht bereit, sich ihre Gefolgsleute zu teilen – es wird nie dazu kommen, dass Nartis ein Menin-Heer befehligt oder dass Tod durch die Straßen einer Stadt marschiert, um zu ihrer Verteidigung die Ärmsten hinter sich zu sammeln. Die Taten des Großen Krieges haben uns in mehr als einer Hinsicht gebrochen.
    Und sich mit mir zu verbinden bedeutet genau das. Ich bin vermutlich die Erste meiner Art, die so ein Angebot unterbreitet, aber wohl kaum die Letzte.« Sie holte eine feine, goldene Kette erlesenster Handwerkskunst hervor, die mit Smaragden besetzt war. »Wir Götter brauchen sterbliche Handlanger von einer gänzlich neuen Art. Legana, ich biete dir eine Chance, ein Teil von mir zu werden – meine Macht mit mir zu teilen und in meinem Namen zu handeln.«
    »Ihr wollt mich zu Eurer Erwählten machen?«, fragte Legana atemlos. Sie hätte sich niemals träumen lassen, dass ihr so etwas zuteilwerden könnte, nicht in tausend …
    »Nichts so Jämmerliches«, sagte die Dame verächtlich. Sie hielt Legana die Kette nicht hin, obwohl sie doch offensichtlich Teil des Handels war. »Ich will, dass du ein Teil von mir wirst, nicht meine Dienerin. Ich möchte, dass du ein sterblicher Aspekt meiner selbst sein sollst. Du wirst mit meiner Macht und Befehlsgewalt ausgestattet das Land bereisen.
    Wenn du diese Kette umlegst, wirst du zu einem Aspekt von Schicksal, nicht länger nur sterblich sein, aber auch nicht gänzlich göttlich. Ich brauche einen sterblichen Geist, um zu erkennen, was mir verborgen bleibt, einen sterblichen Körper, um zu fürchten, was ich sonst nicht beachten würde.« Sie sah Legana mit Trauer im Blick an. »Meine Liebe, dies wird keine einfache
Entscheidung. So etwas ist nie zuvor getan worden, und ich kann auch nicht mit ruhigem Gewissen behaupten, dass ich genau wüsste, was tatsächlich geschehen wird. Aber lange warten kann ich nicht. Ich gebe dir bis zur Dämmerung Zeit, um deine Entscheid …«
    »Das ist nicht nötig«, sagte Legana mit plötzlicher Zuversicht. »Meine Dame, ich nehme an.«
    Schicksal warf ihr einen nachdenklichen Blick zu, aber diesmal senkte Legana die Augen nicht. Ihr Blut hatte zu rasen begonnen. Sie war von Geweihten der Dame aufgezogen worden und hatte stets nur Freundlichkeit erfahren. Sogar die Bestrafungen für Fehlverhalten waren im Vergleich mit dem, was sie über die Züchtigungen gehört hatte, die Novizen in anderen Klöstern und Tempeln erleiden mussten, nachgiebig gewesen.
    Am Tag, als sie den Tempel verlassen hatte, hatte Legana erkannt, dass die strenge Hand der Geweihten ihr stürmisches Gemüt gezügelt und sie zu einer besseren Frau gemacht hatte. Sie schuldete ihnen – und ihrer Göttin – eine Menge, und sie würde der Dame auf jede erdenkliche Weise dienen.
    Und Legana war schlau genug zu erkennen, dass sie niemals ein besseres Angebot erhielte. Es war mehr, als sie sich in ihren kühnsten Träumen ausgemalt hatte.
    »Bist du sicher?«, fragte Schicksal.

Weitere Kostenlose Bücher