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Sturmbote

Sturmbote

Titel: Sturmbote Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Lloyd
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sollten nicht hier sein. In einem Land, in dem das Leben kurz und brutal war, hatte Vesna Männer dazu gebracht, an einem Ort zu sterben, der ihnen nichts bedeutete. Und das nur, weil ein junger Mann, der die Gaben, die er besaß, kaum verstand, es ihnen befohlen hatte. Und weil er selbst geschworen hatte, diesem jungen Mann zu folgen, egal welche Dummheiten Isak auch einfallen mochten.
    »Nein, das ist ungerecht«, sagte Vesna leise. »Ihn trifft keine Schuld.«
    »Gerecht?«, fragte Tael matt. »Was ist schon gerecht? Schicksal ist eine grausame Herrin – das alles ist ungerecht.« Er stieß einen pfeifenden Atemzug aus und suchte mit den Händen Halt, um seine Lage zu verändern. Vesna half ihm eine Haltung zu finden, die weniger unbequem war.
    »Danke«, murmelte Tael, als der Schmerz nachgelassen hatte. »Ich will in meinen letzten Stunden nicht auf die Geier da oben glotzen.«
    »Ist es so schlimm?«
    Tael verzog das Gesicht. »O ihr Götter, o ja. Ich wurde schon früher getroffen, aber diese Wunde, das ist das Ende.« Wieder pfiff er, dann furchte er die Stirn. »Ich habe einmal gehört, wie ein junger Bursche sagte, die beste Art zu sterben sei: von den Feinden umringt. Das sehe ich aber anders. Ich liege auf dem
drauf, der mich erwischt hat, und es macht keinen großen Unterschied.« Er drehte den Kopf und versuchte vergeblich, den Mann zu sehen, den er getötet hatte.
    »Beweg dich nicht«, warnte Vesna.
    »Oder was?«, fragte Teal verbittert. »Sonst könnte ich sterben? Die Warnung kommt ein bisschen spät.« Trotz seiner Worte gab Tael das Bemühen auf und erschlaffte, vom Schmerz besiegt. »Das ist ein gutes Messer. Von einem der besten Schmiede in Lomin angefertigt. Ich glaube, ich brauche es wohl nicht mehr, also nehmt Ihr es.«
    Vesna nickte dankend und zog das Messer aus dem Hals des Toten. Es war eher das Werkzeug eines erfahrenen Waidmanns als die letzte Verteidigung eines Soldaten, aber gut ausbalanciert. Die Klinge war leicht nach vorne gebogen. Er wischte sie an dem toten Soldaten sauber und schob sie in den Gürtel, neben den verzierten Dolch, den er von seinem Onkel bekommen hatte.
    »Es tut mir leid«, platzte es mit einem Mal aus Vesna heraus.
    »Was tut Euch leid?«
    Die Verwirrung in Taels Stimme ließ die Schuld noch schwerer auf Graf Vesna lasten. »Das …« Seine Stimme versagte und er wies auf den geborstenen Schaft, der in Taels Bauch steckte, dann machte er eine Bewegung, die das ganze Schlachtfeld umfasste. Ein Rabe hüpfte von einer Leiche zur nächsten und wich den Männern, die sich zwischen den Toten bewegten, nur so gerade eben aus. Es gab so viele Körper, an denen sie sich satt essen konnten, dass sie nur kurz krähten und nachlässig ein Stück wegflatterten, wenn man sie aufscheuchte.
    »Wart Ihr denn schuld an dem Krieg?«, fragte Tael. »Nein? Na, dann haltet den Mund und leistet mir Gesellschaft. Ich weiß doch, dass Euresgleichen immer etwas Branntwein für die Feier nach der Schlacht bereithält.«

    Vesna folgte der Bitte und setzte sich ohne Ehrfurcht auf den Leichnam. Er zog das Fläschchen hervor, das er bei der Jagd immer bei sich trug, und reichte es Tael. Es war ein teures Gesöff, stark genug, um die Kehle zu beizen. Vesna mochte Branntwein nicht sonderlich, aber wer den Geruch von Scheiße, Schlamm und offenen Gedärmen gerochen hatte, der würde seinen Nutzen schon erkennen.
    »Ich weiß nicht, ob ich damit weitermachen kann«, sagte Vesna und starrte auf den matten Horizont. »Mit jeder Schlacht wird mir ein Teil meiner selbst gestohlen. Es gibt immer weniger von mir – eines Tages komme ich gar nicht mehr zurück, oder es ist nur noch mein Körper übrig. Wie kann ich von einer Frau verlangen, dass sie jemanden heiratet, der langsam vergeht, fadenscheinig wird?«
    »Was für eine Frau ist sie denn?«
    »Sie ist rein«, antwortete Vesna nach kurzem Bedenken. Ihr Götter, hier sitzen wir und sprechen über nichts als meine eigenen Schwierigkeiten. Ist das selbstsüchtig oder gnadenvoll? »Sie ist jung und wunderschön, aber was mich so erstaunt, ist ihre Reinheit. Sie hat noch immer das Göttervertrauen eines Kindes. Man hat ihr anerzogen, das große Spiel so gut wie alle anderen zu spielen, aber sie wurde davon nicht berührt. Ich will sie nicht durch das besudeln, was ich bin und durch die Dinge, die ich getan habe.« Er spuckte verächtlich in die matschige Pfütze zu seinen Füßen. »Ha, sieh mich an. Das klingt wie ein erbärmliches Geständnis

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