Sturmbote
auf dem Totenbett.«
»Sprecht weiter«, grollte Tael. Er musste sich anstrengen, um die Worte auszusprechen, denn der Schmerz und der Blutverlust forderten ihren Tribut. »Ich werde meine Sünden nämlich nicht beichten. Ich bereue nicht, was ich tat: dass ich tötete; habe keine Angst vor dem Tod; laufe nicht vor dem davon, was ich tat. Wenn Lord Tod irgendwas davon nicht passt, soll er es mir selbst ins Gesicht sagen.«
Vesna ergriff Taels Hand und hielt sie fest, für die wenigen Augenblicke, die das Leben des Sergeanten noch währte. »Ich wünschte, ich könnte auch so stolz darauf sein«, sagte Vesna. Es war unwichtig, was er sagte, solange er nur weitersprach, bis Tael nicht mehr war.
Er schüttete einen weiteren Schluck Branntwein in Taels Mund. »Nicht alle Männer, die ich tötete, starben in der Schlacht. Einige traf es bei einem Duell. Andere habe ich schlichtweg ermordet. Und da spielt es auch keine Rolle, dass man es mir befahl – es war trotzdem meine Tat. Wenn ich einst gerichtet werde und falls es stimmt, dass Tod das Gute und das Schlechte in seinen goldenen Waagschalen gegeneinander abwägt, werden Befehle kein Gewicht mehr haben. Und wie soll ein Mann, der all das weiß, daran denken, ein so reines Mädchen zu heiraten ?«
»Weiß sie es?«
»Alles? Ihr Götter, nein. Früher war der Grund, dass es Staatsgeheimnisse waren, Dinge, die großen Schaden anrichten würden, wenn sie bekannt wurden und die man besser für immer vergaß. Aber jetzt … jetzt ist der Grund, dass ich Angst habe, ihr diesen Teil meines Wesens zu offenbaren. Der Teil, der betrunkene Ehefrauen ausnutzte, wenn man es mir befahl, Essen vergiftete und für Jagdunfälle sorgte. Es liegt kein Segen in diesen Taten, nur Notwendigkeit.«
»Und das wird sie nicht verstehen?«
»Ich weiß nicht, wie sie es aufnehmen wird.« Vesna ließ den Kopf hängen. »Aber wenn es mich schon abstößt, wie könnte sie dann anders empfinden?«
»Ich weiß nicht, was Ihr alles getan habt …« Tael musste innehalten und rang nach Luft.
Vesna wollte dem Mann gerade sagen, er solle seine Kräfte sparen, doch dann fragte er sich, wofür er sie sparen sollte – um
noch ein paar Herzschläge mehr zu erleben? War es das wert, sein Leben dafür schneller hinzugeben?
»Ich wette, eine Menge Männer wie ich würden Euch danken.« Tael keuchte, stöhnte und kämpfte um jedes Wort. »Ich wette, dass Ihr ihnen mit Euren Taten die Möglichkeit gegeben habt, ihre Kinder aufwachsen zu sehen. Gönnt Euch das Gleiche.«
Ein Gefühl der Zuneigung schnürte Vesna die Kehle zu und das Atmen wurde plötzlich zu einer Anstrengung. Aber er konnte den alten Sergeanten doch nicht alleinlassen. Ein alternder Waidmann, der herkam und nichts zu gewinnen hatte, und auf ein Stück Stahl traf, das ihm in den Leib gestoßen wurde und ihm damit auch das Wenige nahm, das er gehabt hatte. Die entfernten Stimmen der Soldaten umfingen ihn, als er spürte, wie das Leben Tael verließ. Erst das Bild von Tilas Lächeln vor seinem geistigen Auge klärte seine Gedanken. Das Brennen des Schnapses in der Kehle und der eisige Gestank von Blut und Schlamm traten in den Hintergrund, während Vesna dort saß, auf den Körper in seinen Armen starrte und auf Antworten wartete, die sich nicht einstellen wollten.
15
Durch den Schleier einer uralten Erinnerung sah sie einmal mehr sein Gesicht, das sich einer fernen Unbill zugewandt hatte, während sie schlief. Seine ernste Schönheit war erschreckend, wirkte beinahe fremdartig, wenn sie nicht von einem Lächeln abgeschwächt wurde. Sie blickte auf die Hand hinab, mit der er sich im Bett aufsetzte, so nah an ihrem nackten Bauch, dass sie die Wärme spüren konnte, die seine Haut abgab.
Sie fuhr mit dem Finger sanft über seinen Handrücken, beobachtete, wie sich die Nachdenklichkeit erst in Verwunderung verwandelte und die Verwunderung sich dann schließlich der Freude ergab. Sie lächelte ihn an – er war immer erschöpft, aufmerksam, wenn er im Krieg war, lauschte beständig nach dem Feind oder suchte in der Luft nach Spuren von Magie.
Sie war jung und von der Schönheit des strahlenden Königs ganz besessen, aber hier in seinem Zelt war sie vollkommen entspannt, von den Besten der Drachengarde beschützt. Ihr Auftrag lautete, den Norden ihrer Grenzen genau zu kartografieren und so viele große Tiere wie möglich zu jagen, bevor sie den Krieg gegen die Stämme der Menschen erklärten. Eine einfache Mission, eigentlich nur
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