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Sturmbote

Sturmbote

Titel: Sturmbote Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Lloyd
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hinmurmeln hören, die Hände ringend, der Kopf nervös zuckend und auf die Füße der Passanten starrend. Er hatte große Angst, dass der Mann eine Zeile aus der Prophezeiung Die Herrschaft des Zwielichts zitiert hatte: sechs Tempel, leer und zerfallend – Dunkelheit, die von Gesang und Feuer angekündigt wird.
    Gedankenverloren vergaß Dohle Rojaks Frage beinahe, bis Ilumene sich ihm langsam zuwandte, einen Dolch wie immer locker in der Hand. Die Schneide war rasiermesserscharf, aber Ilumene schnitt sich trotzdem nie, sogar wenn er die Klinge durch die Finger wandern ließ. Die Schnitte und Narben auf seinen Händen hatte er sich alle absichtlich beigebracht. Nur wenn er ein neues Muster in seine Haut schnitt, schien er das Messer in seinen Händen überhaupt zu bemerken.
    Eilig murmelte Dohle etwas Lobendes, denn er wollte nicht, dass Ilumene ihn ansah. Rojak lächelte bei diesen Worten und pflückte einen Fussel von seiner Kleidung. Wenn Dohle vor diesem Mann keine so große Angst gehabt hätte, hätte es beinahe komisch gewirkt. Die Kleidung des Barden war abgewetzt und
schäbig, außerdem roch er nach verwesendem Fleisch, denn sein Körper verrottete von innen heraus. Er würde bald tot sein, aber bis dahin wurden seine Vorahnung und seine unnatürlichen Kräfte mit jedem Tag stärker. Dohle wollte gar nicht wissen, welche Krankheit sich Rojak zugezogen hatte, aber es war sicher kein Versehen gewesen. Dafür war ihr Herr zu grausam und berechnend.
    »Und was gehört unabdingbar zu einem komischen Stück?«
    Dohle suchte angestrengt nach der richtigen Antwort, aber die Worte des Stückes wollten nicht zur Ruhe kommen.
    »Eine Verwechslung natürlich«, rief Rojak fröhlich, als würden sie nur eine angeregte Unterhaltung führen. »Mit den komischen Ergebnissen, die sich unausweichlich daraus ergeben.«
    Komisch? Ich glaube nicht, dass sie jemand außer Ilumene komisch findet , dachte Dohle, schwieg aber. Soviel Opium Rojak auch rauchte, es beeinträchtigte seinen Geist keineswegs. Er hörte immer zu, wartete nur auf ein Zögern oder ein falsch auszulegendes Wort. Dohle hatte diesen Fehler nur einmal gemacht, und der Gedanke, er könne ihm erneut unterlaufen, ließ eisige Schauer über seinen Rücken laufen. Der Schatten beobachtete ihn immer.
    Rojak spähte über die Kante des Daches, auf dem sie standen, auf die leere Straße hinab. »Und wie der Zufall so spielt, kennen wir jemanden, der in der Menge verzweifelt nach einem bestimmten Gesicht sucht, nicht wahr, Ilumene?«
    »Ganz recht, und es wäre unhöflich, den Mann zu enttäuschen«, schnurrte Ilumene seine Zustimmung. »Vor allem, weil er so lange Jahre wie ein Vater zu mir war.«
    Ilumene sprechen zu hören, zehrte an Dohles Nerven. Der Mann war von kräftiger Gestalt, mit Handflächen, die von den Schwielen so hart wie Holz gewesen waren, was Dohle bei jedem Schlag ins Gesicht erneut spürte. Er wirkte wie ein erfahrener
Soldat, aber seine Sprache war kultiviert und deutete auf einen klugen Kopf hinter der brutalen Fassade hin. Er schlug die Leute in seinen Bann und konnte, wenn er es wollte, so charismatisch wie ein Weißauge sein. Dann machte er Dohle noch mehr Angst als sonst.
    »Er wird dich sicher töten?«, krächzte Dohle.
    »Das wage ich zu bezweifeln«, sagte Rojak. »Ilumenes Kameraden würden dies nicht tun, denn der König will sich seiner selbst annehmen. Ihr Eifer, uns zu finden, ist regelrecht herzerwärmend.«
    »Dann willst du die Gefahr eingehen, dass man auch dich aufspürt?«
    Rojak hob tadelnd den Finger. »Aber dann gäbe es ja keine Verwechslung – und damit keine unterhaltsame, zu späte Demaskierung.«
    Dohle rang sich weitere Worte ab: »Du willst, dass ich jemanden wie dich oder Ilumene aussehen lasse?«
    »Kaum ein paar Wochen beim Theater, und schon lernt Ihr die Bräuche!« Rojak strahlte. »Sie suchen Ilumene, also zeigen wir ihnen, was sie sehen wollen.«
    »Aber wen? Wen sollen sie töten?«
    »Also bitte, das wäre unserem armen Schauspieler gegenüber doch wohl ungerecht. Er hat nichts Unrechtes getan, darum wird ihm auch nichts geschehen.« Rojak bedeutete Dohle mit einer wegwerfenden Geste, sich zu entfernen. »Geh und bereite dich auf den Zauber vor. Bis zum Mittag muss er fertig sein.«
    »Wo treffe ich dich?«
    »Oh, nicht mich. Ich muss mich um andere Dinge kümmern. Ilumene, gab es ein Mitglied der Bruderschaft, das du höher schätztest als die anderen?«
    Der große Mann dachte nach. »Beyn«, sagte er

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