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Sturmbote

Sturmbote

Titel: Sturmbote Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Lloyd
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schnalzte tadelnd wie eine Lehrerin mit der Zunge. »Das war nicht der einzige Fluch, der uns in dieser Nacht auferlegt wurde. Ich hätte eine solche Voraussicht nicht von einem Gott erwartet, aber einer von ihnen erkannte, dass man dem Wahnsinn anheimfiele, wäre man ein solches Monster. Um also die Strafe bis zur Neige auszukosten, bestimmten die Götter, dass wir nicht dem Irrsinn verfallen sollten, sondern dass wir bei Verstand bleiben und dieser weder von den Jahren noch durch das Schuldgefühl im Hinblick auf unsere Taten angegriffen werden
sollte.« Ihre Hände verkrampften sich bei dem Gedanken an diese Schuld. Sie war in unzähligen Jahren ihr steter Begleiter gewesen.
    Sie sah Doranei nicht an, wollte den Schrecken in seinen Augen nicht sehen, als sie weitersprach. »Sie wollten, dass wir die Angst in den Augen unserer Opfer sehen, wann immer wir ihnen das Leben aussaugen – und dass wir stets peinigendes Mitleid mit anderen empfinden. Es wird uns niemals gleichgültig werden. Unser Volk wurde dafür bestraft, uns in blinder Treue gefolgt zu sein. Dafür spüren wir nun das Leid der Unschuldigen, und zwar in größerem Maße, als du es je erahnen kannst.«
    »Und meine Anwesenheit könnte die Lage noch verschlimmern«, vermutete Koezh.
    »Genau«, sagte Zhia matt. »Darum musst du die Stadt verlassen.«
    »Ich soll gehen?«
    »Du und deine Legion, ihr könnt nicht verhindern, dass diese Stadt im Chaos versinkt. Egal was ihr unternehmt, es wird nur Öl ins Feuer gießen.«
    »Also soll ich weichen und nichts tun? Zulassen, dass der Weiße Zirkel und die Ritter der Tempel das nächste Zeitalter bestimmen ?«
    »Unsere Zeit wird kommen, aber noch ist es nicht so weit.« Zhia rieb sich den Arm, wo die enge Seidenkleidung in der Wärme unangenehm festklebte. »Am besten marschiert ihr nach Süden.«
    Koezh legte den Kopf schief. »Hältst du Lord Styrax für eine so große Gefahr, obwohl er so weit vom Heimatland der Menin entfernt ist?«
    »Ja, das tue ich«, sagte Zhia mit Nachdruck. »In den Tausenden von Jahren seit dem Großen Krieg, hat es da jemals einen Krieger gegeben, der dir das Wasser reichen konnte? Ich glaube
nicht, und doch hat Kastan Styrax dich niedergestreckt und deine Rüstung als Trophäe behalten. Wenn es im ganzen Land einen Mann gibt, der die Chetse besiegen und die Herzen ihrer Kriegerorden gewinnen kann, dann ist es wohl Kastan Styrax.«
    »Und dann braucht er keinen Nachschub aus den Ringen des Feuers«, schloss Doranei. »Wenn er die Treue der Chetse gewinnen kann, ist nicht abzusehen, wie groß sein Reich werden wird.«
    »Vielleicht grenzenlos. Wenn die Stadtstaaten im Westen im Chaos versinken, was sich bereits andeutet, so werden sie dem Erwählten des Kriegsgottes unvorbereitet gegenüberstehen.«
    »Narkang ist bereit und die Farlan sind noch mächtiger als die Chetse«, widersprach Doranei.
    Koezh wandte sich dem jungen Mann mit einem amüsierten Gesichtsausdruck zu. »Narkang ist bereit? Narkang ist nur durch eine glückliche Fügung gerettet worden, so sagt man. Wenn der Weiße Zirkel den König und die Stadt in seine Gewalt bekommen hätte, wären deine geschätzten Drei Städte bald gefolgt. Und die Farlan sind durch jahrelange Unruhen geschwächt und jetzt ist der größte Führer, den sie seit tausend Jahren hatten, tot. An Lord Bahls Stelle steht ein junger Mann, von dem es heißt, der Sturm fließe in seinen Adern, er aber trüge Gaben von solcher Macht bei sich und die Last der Geschichte auf den Schultern, dass sogar seine eigenen Generäle auf der Hut sein müssen.« Koezh beugte sich zu Doranei hinüber und schenkte dem jüngeren Mann ein kaltes Lächeln. »Ich würde sagen, dass ihr noch nicht ganz so bereit seid, wie ihr hofft. Auf jeden Fall sollte euer König seine Angelegenheiten hier zu einem Abschluss bringen und sich um seine Grenzen kümmern. Es ist dumm, durch die eigene Selbstgefälligkeit zu sterben.«
    Koezh klopfte Doranei herablassend auf die Schulter, was bei seiner Schwester ein Lächeln hervorrief, und wies zur Bühne.
»Jetzt sei still und sieh dir das Stück an. Etwas Kultur wird dir nicht schaden.«
    Koezh berührte flüchtig ihre in Handschuhe gehüllten Finger, dann ging er geräuschlos davon. Das war ihr Wesen. Die Erfahrung hatte ihnen gezeigt, dass ihre Begegnungen kurz und liebevoll sein sollten, denn sonst gab es Streit mit dramatischen Auswirkungen. Zhia war ihrem Bruder in diesen Dingen im Augenblick voraus, denn sie hatte ihn dreimal

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