Sturmbote
Götter, seid Ihr sicher?«
»Aber ja«, sagte sie. »Ich sah sie mit eigenen Augen.«
»Kennt Ihr seinen Namen?«
»Rojak.«
Doranei fluchte leise und ballte die Fäuste. »Dann ist es also wahr.«
»Was ist wahr?«, fragte Zhia überrascht. Das war vermutlich ein weiteres Puzzlestück. »Kennst du diesen Barden?«
Doraneis Blick glitt an ihr vorbei zur Bühne, auf der ein Flötist seinem Instrument langsame, traurige Töne entlockte. Zhia schnippte vor seinem Gesicht mit den Fingern, um seine Aufmerksamkeit zurückzugewinnen.
»Doranei, hör mir zu! Kennst du diesen Barden? Ist der König darum hier?«
Doranei schüttelte den Kopf. »Nicht darum, nein. Aber wir hatten gehofft …« Seine Stimme verklang, während er sich wieder der Bühne zuwandte, sich dann aber losriss und zu seinen Begleitern sprach. »Ich muss den König sofort darüber unterrichten.«
»Noch nicht«, sagte Zhia bestimmt. Sie wies auf einen hochgewachsenen Mann in einer grünen Robe, die mit zwei auf dem Kopf fliegenden, goldenen Bienen verziert war. Er hielt bereits die Vorrede des Erzählers. Eine Narrenkappe rundete das Kostüm ab. »Die Vorstellung hat begonnen, und wenn du jetzt gehst, wirst du Aufmerksamkeit erregen. Einer der Schauspieler stand vorhin mit einer Armbrust auf dem Dach. Würde dich dieser Kumpan Rojaks erkennen?«
Doranei nickte und warf dem verhangenen Durchgang einen
misstrauischen Blick zu. Koezh sah seine Besorgnis und schüttelte den Kopf.
»Dort draußen ist niemand, nicht einmal ein Diener.«
Doranei entspannte sich daraufhin etwas. »Dann werde ich den König in der Pause suchen. Sie werden ihn hier nicht umbringen.«
»Bist du sicher? Es erscheint mir sehr verlockend.«
»So sicher man sein kann«, sagte Doranei. Er wirkte eher unsicher, versuchte sein eigenes Wissen gegen die Hilfe abzuwägen, die Zhia anzubieten hatte. »Sie haben seit langem eine Fehde«, sprach er schließlich. »Und wenn er den König nur umbringen lässt, dann fehlt …«
Er suchte nach Worten, bis Zhia sagte: »Die persönliche Note? Es stillt das Drängen des Mannes nicht, wenn er das Messer nicht selbst hineinrammt?« Sie seufzte. »Die Jahrhunderte vergehen zwar, aber die Leute bleiben doch immer gleich. Ich hoffe, dass sich dein König als der bessere Mann herausstellt, wenn es soweit ist, und nicht zögert. Ich kann immerhin keinen Verbündeten im Kernland gebrauchen, der sich der Effekthascherei schuldig macht – dann wäre er eine schwere Enttäuschung für mich.
Doranei nickte, schaute dabei aber schon wieder mit grimmigem Gesicht auf die Bühne.
Interessant , dachte Zhia, dieser Rojak muss dem König wirklich übel mitgespielt haben. Ich frage mich, was der Barde tat und warum? Bei diesem Gedanken folgte sie Doraneis Blick. Jetzt erkannte sie die Farben und den Schnitt der Kleidung des Erzählers. Dann dient dieses Stück also allein dazu, König Emin zu verspotten? Dann weiß er bereits, dass der König hier ist. Aber welchen Zweck verfolgt er mit dem Ganzen?
Zhia löste den Blick mit Mühe von der Bühne und wandte sich wieder dem Gespräch zu. »Ich werde die Sicherheit in der Stadt verschärfen. Wenn so viele Fremde die Straßen bevölkern, ist es
nur eine Frage der Zeit, bis Leute sterben.« Sie blickte die beiden Männer an, die sie ebenfalls anschauten. Koezh zeigte brüderliche Zuneigung, was eine angenehme Abwechslung zu seinem üblichen ausgezehrten Ausdruck voller Weltschmerz war. Doranei schien von einer widerstrebenden Faszination ergriffen und blickte zwischen den Geschwistern hin und her.
»Bitte, seht es mir nach, sollte ich Euch mit dieser Frage beleidigen«, setzte Doranei zögerlich an. Zhia machte einen Schmollmund, was ihn bei den weiteren Worten stottern ließ: »Ihr gebt doch nur vor, Mitglied des, äh, Weißen Zirkels zu sein …«
»Was schert es mich also?«, vollendete Zhia den Satz für ihn.
Doranei nickte und senkte den Kopf.
»Es ist unser Fluch, der meines Bruders und der meinige, dass wir uns scheren. Die Götter haben es in ihrem letzten Richtspruch so gefügt. Weißt du denn gar nichts über unsere Vergangenheit ?«
»Nur wenig«, gab Doranei zu. Er sah sich um, ob sie auch niemand beachtete, dann sagte er noch leiser: »Ich weiß, dass man Euch in Vampire verwandelte, in Untote. Um weiterzuleben, müsst Ihr anderen das Leben aussaugen und die Berührung des Sonnenlichts lässt Euch verbrennen.«
»Die Jugend von heute lebt nur für den Augenblick«, sagte Zhia und
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