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Sturmbote

Sturmbote

Titel: Sturmbote Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Lloyd
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getötet, doch hatten sie sich schon vor langem darauf geeinigt, dass es nicht mehr sonderlich spannend war, sich gegenseitig umzubringen. Und es schien zu aufwändig, nur aus einem alten Groll heraus damit fortzufahren.
    Er würde ihrer Bitte folgen. Scree war nun ihre Sache und er würde sich nicht einmischen. Das Land glitt unaufhaltsam auf den Untergang zu und Veränderung lag in der Luft. Sie wussten beide, dass dies ihre größte Chance sein würde.
    Zhia lächelte.

18

    Eine Wolkenfront lag in einem Ring um die Stadt und versperrte den Blick auf die Monde und Sterne. Dohle konnte spüren, wie sie sich enger zog, vom Ruf eines einzelnen Mannes angelockt. In den Straßen brodelte eine unnatürliche Feuchtigkeit, als koche die Stadt im eignen Saft. Auf jedem Flachdach, das er sehen konnte, lag Bettzeug aus und Leute wanden sich unruhig unter der bedrückenden Hitze. Die Bürger von Scree wollten der stinkenden Enge ihrer Häuser entkommen, doch draußen war es nicht viel besser.
    Wie lang ist es her, seit mich eine Brise streifte? , fragte er sich. Einige Tage wohl, obwohl ihm die Erinnerung daran wie ein Traum erschien. An ihrem erhöhten Standort mit dem Blick auf die dunkle Form des Theaters konnte er die Schwere der Luft spüren. Ein Sturm braute sich zusammen. Er weigerte sich bisher auszubrechen, blieb aber mit grimmiger Dickköpfigkeit vor Ort und sorgte dafür, dass ihm seine Nackenhaare zu Berge standen.
    Die plötzlichen Wolkenbrüche des Frühsommers waren Vergangenheit, so dass die Leute wie Hunde hechelten und flehend zum Himmel starrten.
    Der Geschmack von Blut lag noch in seinem Mund. Er hatte sich auf die Zunge gebissen, als sich der Schläger aus Narkang früher am Abend angeschlichen hatte. Ilumenes spöttisches Lächeln
in der Dunkelheit hatte ihn völlig überrascht. Er drückte die Zunge gegen die Zähne, untersuchte die Wunde, obwohl es wehtat, denn auf eine seltsame Weise erinnerte ihn der Schmerz daran, dass er noch lebte. Vertrieb die Pein den dumpfen Schmerz in seinem Herzen, oder erinnerte sie ihn nur daran, dass er ein Mensch war, mit allen menschlichen Schwächen versehen? Jedes Mal, wenn es wehtat, sah er das Blut, das Leben des Menschen, das im Finale ihres neuesten Stückes auf der Bühne vergossen worden war.
    »Nun«, sprach ihn Rojak von der Seite an. Dohle zuckte zusammen, denn er war in der Gegenwart des Barden stets ängstlich und angespannt. Es war etwa drei Stunden nach Sonnenuntergang: die Stadt lag still da, erfüllt von jämmerlichem Unbehagen. Dohle musste ein Gähnen unterdrücken. Er konnte sich nicht daran erinnern, wann er zuletzt geschlafen hatte, gut geschlafen. Auch heute Nacht würde ihm dies nicht gelingen, denn das Blut würde beständig vor seinem geistigen Auge auftauchen.
    »Wir unterhalten Scree mit einem schön bissigen Stück, findest du nicht?«
    Dohle schwieg. Das Stück war auf eine vulgäre, einfache Art einigermaßen unterhaltsam, aber der Spaß wurde durch den Mord am Ende verdorben. Obwohl Dohle – und mit ihm augenscheinlich die ganze Stadt – gewusst hatte, was kommen würde, war ihm beim Anblick des vielen Blutes schlecht geworden. Er hatte den Blick abwenden müssen, als der Gefangene aus dem Stadtgefängnis geheult und auf der Bühne herumgezappelt und das Stück mit seiner Weigerung zu sterben unterbrochen hatte. Ilumene hatte mit glänzenden Augen auf die vermummte Gestalt König Emins gewiesen, als das Publikum das Theater in bedrückter Stille verlassen hatte. Der König hatte ausgesprochen finster dreingeblickt. Der Mann aus Narkang hatte ihm nicht verraten, warum er den König so abgrundtief hasste und Dohle wagte
es nicht, zu fragen. Ilumene wandelte stets auf der Schwelle zur Wildheit. Schon bei der Erwähnung des Königs verzog er in grausamer Wut das hübsche Gesicht.
    Der Gedanke an Ilumenes Hass brachte Dohle wieder zu dem hasserfüllten Stück. Die Standbesitzer um das Theater herum waren bereits von dem Zauber erfasst, der beim Bau in die Balken der Theatermauer eingeritzt worden war. Wenige arbeiteten noch, sich ihrer Bewegungen nicht mehr bewusst, aber geleitet von Gewohnheiten, die in langen Jahren angeeignet worden waren. Der Rest aber zog an den Wahn verloren durch die Straßen und sprach von Geistern. Sie spürten die Bitterkeit und die Düsternis, die aus jeder Zeile des Stückes sprach und durch die Magie des Barden die ganze Stadt heimsuchte. Erst am gestrigen Morgen hatte er einen Früchtehändler vor sich

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