Sturmbote
gewöhnliche Maß hinausgingen. Die beiden konnten sich so heimlich bewegen wie Mihn und waren beinahe so schnell und stark wie die Weißaugen der Palastwache. Tiniq war der Zwillingsbruder eines Weißauges, General Lahk, was dem Anschein nach eigentlich unmöglich war. Leshi besaß die Fähigkeit, so still zu stehen, dass er förmlich mit dem Schatten verschmolz. Im Wald liefen sogar andere Waldläufer auf einige Schritt Entfernung an ihm vorbei, ohne ihn zu bemerken.
Aufgrund der Verluste in Isaks Leibwache und der großen Gefahr, die es darstellte, Scree mit so wenigen Soldaten zu betreten, war es sinnvoll, die Lücken mit weiteren übernatürlichen Soldaten zu füllen. Da gab es unter anderem einen breiten, bärtigen Kampfmagier, der sich als Mariq vorgestellt und seitdem kein Wort mehr mit Isak gesprochen hatte, und einen Ritter aus Torl, dessen große Kunstfertigkeit mit dem Bogen offenbarte, dass er ein Laienzauberer sein musste, sowie Shinir, eine von Lesarls weiblichen Getreuen, die förmlich zu fliegen schien, wenn sie kletterte. Gleichzeitig war sie die gehässigste und gnadenloseste Frau, die Isak jemals getroffen hatte.
Ihre Verstärkung hatte bereits einen unerwarteten Vorteil gebracht. Als sie einen Plan geschmiedet hatten, wie Mariq und Isak an der Magierin des Weißen Zirkels, die das Tor kontrollierte, vorbeikommen sollten, waren die Laienzauberer hindurchgegangen, und ihre ungewöhnlichen Fähigkeiten hatten sie so sehr verwirrt, dass sie Kopfschmerzen bekommen und ihren Posten verlassen hatte, so dass Isak einfach so hatte hineinmarschieren können.
»Sag ihnen, sie sollen die Augen offen halten«, sagte Isak und wies auf die leere Straße zum Zentrum der Stadt. »Ich habe bei all dem ein schlechtes Gefühl. Sie sollen sich bereithalten, Alarm zu geben.«
Mikiss saß auf dem kaputten Stuhl und ließ sich langsam gegen die gepolsterte Lehne sinken. Sie befanden sich im Keller des Hauses, einem Netzwerk aus feuchten, überfüllten Räumen, die Isherin Purn und seinem Diener Nai als Wohnstatt dienten. Der Geruch von Schimmel und Stein wurde vom Gestank der toten Pflanzen und der feuchten Erde übertüncht, der durch ein Gitterfenster unter der Decke hereinsickerte. Soweit Mikiss wusste, war hier sonst niemand, aber er konnte das Gefühl nicht loswerden, dass sie nicht allein waren. Eine Präsenz schien in den dunklen Gängen und leise knarrenden Räumen über ihnen zu harren. Mikiss wusste nichts über Nekromanten und wollte auch gar nichts erfahren, aber seine Einbildung brachte eine Flut unangenehmer Gedanken dazu hervor.
»Worüber denkt Ihr nach, Herr?«, fragte Shart, der Mikiss gegenübersaß. »Ihr wirkt ein wenig ängstlich.«
»Hast du keine Angst? Du weißt schon, was unser Gastgeber so tut?«
»Sicher.« Shart kicherte.
»Und das macht dich gar nicht nervös?«
Der Soldat grinste, vorrangig über Mikiss’ Unwohlsein. »Diese ganze Dämonenscheiße ist schon krank, aber wenn man in der Dritten Cheme dient, gewöhnt man sich an so was.«
Das hatte Mikiss aufgrund der Geschichten vermutet, die sie ihm auf der Reise nach Norden erzählt hatten. Die dritte Cheme-Legion wurde von Lord Styrax bevorzugt, denn sie bestand aus Männern, denen er sogar noch mehr vertraute als den Blutgeschworenen oder den Schnittern.
»Auch an den Geruch der Toten gewöhnt man sich, wenn man in der Dritten dient«, grollte Oberst Bernstein aus der Ecke, wo er mit einer tönernen Flasche im Schoß saß. »Wir drei haben uns früher schon mit einem Haufen Leichen in einem Loch verkrochen, die uns warm gehalten haben. Das mussten wir tun, sonst hätte man uns entdeckt und aufgespießt.« Sein Blick blieb auf die Flasche in seiner Hand gerichtet. Sie musste bei dem Zug, den der Mann an den Tag gelegt hatte, bereits fast leer sein. »Wenn man einem Mann, den man kannte, erst einmal dabei zugesehen hat, wie er langsam verrottet, wird der Tod nur zu noch so einem Kameraden.«
Mikiss blickte zu den flackernden Öllampen. Sie waren heruntergedreht, spendeten aber gerade genug Licht, um die Umrisse des Raumes zu erkennen. Die Tür war offen und stand für die Hoffnung, es könne ein Wind aufkommen. Von dort, wo er saß, konnte Mikiss das matte Licht aus der vollgestopften Küche strahlen sehen, in der Nai irgendetwas für seinen Meister zubereitete. Irgendwo dahinter, im Schatten verborgen, befand sich die Tür zu Purns Arbeitszimmer. Diesen Raum wollte Mikiss niemals von innen sehen.
»Bei Karkarns Horn«,
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