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Sturmbote

Sturmbote

Titel: Sturmbote Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Lloyd
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Pocken auf, die sie ihm genommen hatten. Als er sich an diesem Morgen auf dem Strohlager herumgedreht hatte, hatte er den sanften Atem seiner Frau an seinem Ohr gespürt und
sich ihr mit einem Lächeln zugewandt, obwohl er sie eigentlich schon vor drei Wintern verloren hatte. Und die ganze Zeit über waren da diese kaum hörbaren Geräusche. Entfernte Rufe und leises Heulen, dem sich ein Teil von ihm gerne anschließen wollte. Das leise Summen eines priesterlichen Gesangs, das Stöhnen und Ächzen des Hauses, das sich durch einen weiteren glühenden Tag kämpfte. Manchmal erreichte ihn eine ferne Note verdorbener Süße, wie von überreifen Pfirsichen, die man in der Sonne hatte liegen lassen. Doch im Augenblick roch er in Scree nur noch Unrat und Verfall. Er hatte vergessen, wie sich eine Brise anfühlte …
    Mit großer Willensanstrengung vertrieb Breytech die wirren Gedanken und murmelte ein altes Mantra vor sich hin, das ihm seine Großmutter beigebracht hatte, ein Gebet gegen den Wahnsinn, den die Sonne weckte, der Männer dazu bringen konnte, vom Weg abzukommen und in die Wüste zu laufen. Es änderte nichts an dem pochenden Schmerz in seinem Kopf, aber die Worte waren beruhigend und halfen ihm, bei der Sache zu bleiben. Er schob sich vorsichtig aus dem Haus, sein Blick huschte nervös über die menschenleere Straße, die in der Hitze flirrte.
    Scree lag so still und unbewegt da, wie nur etwas Totes dies konnte. Die ausgestorbenen Straßen wirkten, als zerfielen sie jeden Augenblick zu Staub, weil ihnen alles Leben ausgesaugt worden war. Breytech tastete sich langsam vorwärts, murmelte das Mantra und hielt sich so weit es ging in den Schatten, auch wenn man sich nicht wirklich vor der gnadenlosen Sonne verbergen konnte. Er trug eine weite Wüstenrobe und einen Schal aus dem gleichen Material, den er sich zum Schutz vor der Sonne um den Kopf gewickelt hatte. In einem der riesigen Ärmel hielt er einen uralten Langdolch, dessen Schneide schartig und stumpf, aber noch immer gefährlich genug war, dass es ihm etwas Sicherheit gab.

    Auf der Hauptstraße war keine Menschenseele zu sehen. Weil das grelle Sonnenlicht von den ausgebleichten Steinen zurückgeworfen wurde und die Luft vor Hitze verschwamm, konnte er kaum klar sehen. Dann erkannte er entsetzt, dass aus dem größten Gebäude in der Gegend – wie er glaubte, war es das Haus eines Händlers – eine heruntergebrannte Ruine geworden war.
    Ohne Vorwarnung erreichte ein Flüstern sein Ohr, das sich durch die Straße fortpflanzte. Breytech zuckte zusammen und blickte hinter sich, zupfte am Schal, um besser sehen zu können. Aber da war niemand. Keine Leute, nichts Lebendiges, das sich bewegen oder sprechen könnte. Trotz des Schweißes, der in Bächen an seinem Hals hinabströmte, erschauderte er, als habe ein Geist die blassen Hände um seine Kehle gelegt.
    Er war vor Schreck erstarrt, doch dann lief ein Schweißtropfen wie eine Träne an seiner Nase hinab und riss ihn aus seiner Untätigkeit. Er stolperte eilig in die Richtung, in der er einen Brunnen gesehen zu haben glaubte. Wenn der nicht sauber war, musste er weiter nach Süden gehen, vielleicht bis zum Tempelbezirk. Dort hatte er einen Vasle-Schrein gesehen – der Gott der Flüsse würde ihn ja kaum enttäuschen? Kurz fragte er sich, ob er ein Opfer hätte mitbringen sollen, aber dann dachte er, dass Vasle auf Gebete aus Scree ohnehin nicht hören würde. Vermutlich schritt nur noch Tod durch diese Straßen, und die Schnitter, seine schrecklichen Aspekte, folgten ihm auf dem Fuße. Oder hatten sogar diese die Stadt verlassen und richteten, indem sie sich abwandten? Was für ein Fluch, wenn einem sogar die letzte Gnade Tods versagt bliebe?
    Während er von Schatten zu Schatten eilte, bemerkte er Leichen. Ein ängstliches Wimmern entrang sich seiner ausgedörrten Kehle. Einige waren verbrannt worden und hatten sich in ihren letzten qualvollen Augenblicken auf Erden zusammengekrümmt. Einigen fehlten Gliedmaßen oder der Kopf. Anderen ragten die
Waffen noch aus den tödlichen Wunden, ihre Augen aber waren zum Himmel gerichtet, als wollten sie die Götter, die sie verlassen hatten, um Hilfe anflehen.
    Er fühlte sich allmählich wie der einzige Überlebende einer gewaltigen Katastrophe. Er spähte durch eingetretene Türen, aber die Sonne stand so hoch, dass dahinter nur undurchdringliche Schatten auf ihn warteten. An einer angekohlten Tür lehnte der Körper eines Kindes, dem die Gliedmaßen fehlten.

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