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Sturmbote

Sturmbote

Titel: Sturmbote Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Lloyd
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Breytech blickte sich um, doch sie waren nirgendwo zu sehen. Er versuchte sich nicht näher damit zu beschäftigen, zu welchem Zweck man sie weggebracht hatte. Die ängstlichen Stimmen in den hinteren Winkeln seines Geistes schrien nun lauter, und er konnte sich nur mit Mühe davon abhalten, selbst unbeherrscht loszubrüllen.
    Mit der Sandale stieß er gegen einen Stein, der unnatürlich laut über den Boden sprang. Er wimmerte entsetzt auf und ging neben den Überresten eines Fasses in die Hocke, denn eine andere Deckung gab es nicht. Die Angst davor, dass man ihn entdeckte, krampfte ihm den Magen zusammen und er presste die Lippen aufeinander, um nicht vor Schreck laut aufzuschreien. Schließlich blieb der Stein liegen und es wurde erneut still. Es dauerte etwas, bis er wieder zu atmen wagte.
    Schließlich öffnete er aber doch den Mund, um Luft einzusaugen, und dabei riss die trockene Haut seiner Oberlippe auf und er spürte Flüssigkeit auf der Zunge. Er hatte den Finger bereits halb zum Mund gehoben, als ein weiteres Geräusch ihn erstarren ließ.
    Ein Stöhnen, so leise wie eine sachte Brise, dafür aber zu plötzlich. Mit zitternden Fingern zog Breytech seinen Dolch hervor und fasste ihn fester. In sich gebeugt – wie ein verängstigter Hase  – blickte er zu der Stelle hinüber, wo das Geräusch erklungen war – da! Auf der anderen Straßenseite, hinter der eingeschlagenen
Fassade eines Geschäftes. Der Laut wiederholte sich und er spürte Panik aufwallen.
    Da schob sich ein bleicher, haarloser Schädel hinter dem Tresen des Ladens hervor. Breytech zitterte am ganzen Leib, als sich der Kopf umblickte und die Straße nach ihm absuchte, wie ein Wolf, der die Spur eines Rehs aufgenommen hatte. In seiner Furcht bemerkte er erst am Geschmack des Blutes auf der Zunge, dass er sich auf die aufgesprungene Lippe gebissen hatte.
    Der metallische Geschmack ließ ihn gierig schlucken, und als er das tat, zuckte der Kopf zu ihm herum, wie auf einer Feder sitzend, und durchbrach mit einem lauten, heiseren Stöhnen die Stille. Ein zweiter Kopf erschien, und das Stöhnen wurde lauter.
    Breytech konnte sich nicht mehr erheben. Er wollte weglaufen, aber seine verkrampften Muskeln verweigerten ihm den Gehorsam. Er zwang sich auf die Beine und torkelte einige Schritte weit, trat dann jedoch auf ein Stück Ziegel und fiel auf die Knie. Von dem Laden her erklang ein Krachen und dann das Geräusch von Schritten und Stimmen, nun laut und eindringlich und nicht mehr nur in den Winkeln seines Geistes. Doch noch immer wütend und schrecklich.
    »Priester! Diener der Götter!«, heulte jemand.
    Ein Chor wild kreischender Stimmen nahm den Ruf auf: »Priester! Prediger!«
    Breytech blickte auf seine Robe hinab und eine schreckliche Vorahnung bemächtigte sich seiner. Seine Robe – glaubten sie deswegen, er sei ein Priester? Bevor er sich eingeschlossen hatte, bevor die Stadt völlig dem Wahn und dem Elend verfallen war, hatte er Gerüchte darüber gehört, dass sich die Menschen gegen Priester gewandt hatten. Kinder hatten Steine auf die Tempelakolythen geworfen, ein Priester war auf der Bühne umgebracht worden und die Stadtwache hatte nichts dagegen unternommen.

    Er rannte los, und als er eine große Kuppel vor sich sah und wiedererkannte, beflügelte ihn dies aufs Neue. Sechs Tempel. Die Götter. Wenn es in dieser Stadt noch Soldaten gab, wenn die Straßen den wilden Irren noch nicht gänzlich überlassen worden waren, dann würden sie doch gewiss die Tempel schützen? Er war weit entfernt, aber er hatte keine Wahl. Er betete darum, dass die Monster auf seiner Fährte ebenso ausgehungert und durstig waren wie er.
    Während er lief, zerrissen weitere gutturale Stimmen die stehende Nachmittagsluft, erklangen von überallher, als kaputte Türen und zerstörte Fensterläden aufgestoßen wurden. Breytech lief mit gesenktem Kopf, den Blick auf den Boden gerichtet, um sich einen Weg durch den Schutt zu suchen. Er sah sich nicht um, aber nach hundert Schritten wusste er, dass sie nicht näher kamen und Hoffnung glomm in seinem Herzen auf. Abgerissene Gestalten kamen aus Abflüssen und Torbögen und die Stimmen wurden zahlreicher. Aber sie kamen nicht näher.
    Das Mantra seiner Großmutter fiel ihm wieder ein und er murmelte es mit jedem gequälten Atemzug, bis er um eine Ecke bog und erkannte, dass er sein Ziel fast erreicht hatte. Ein von kaputten Bänken und Tischen umgebenes, quadratisches Gebäude und eine Wand aus verdorrten

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