Sturmbote
dem Boden. Der alte Lord hatte ihn davor gewarnt, dass die ihm Nahestehenden in Gefahr waren. Warum hatte er nicht auf ihn gehört?
Ehla legte den Kopf schief. Das sagte er zu dir? Dann wusste er, was sie mit ihm anstellte und wollte dich davor warnen. Xeliath berichtete
mir, er sei im Palast auf der Weißen Insel gestorben, auf der Suche nach einem Kristallschädel.
»Er wurde dorthin getrieben«, sagte Isak, und wollte Bahls Entscheidung mit einem Mal verteidigen, auch wenn er wusste, dass sie dumm gewesen war. »Ein Nekromant hat ihn dorthin getrieben, damit Kastan Styrax ihn töten konnte.«
Und bevor er ging, warnte er dich davor, so zu werden wie er, nicht die gleichen Fehler zu machen, die er nicht vermeiden konnte. Er gab sich der Schuld und dem Leid hin, verlor sich in der Pflicht, bis von dem Mann, der er einmal gewesen war, nichts mehr übrig blieb und er nur noch der Lord war. Er wollte nicht, dass du an dieser Aufgabe scheiterst, so wie er.
Isak sprang auf und ließ Eolis mit einem wütenden Schrei durch das Halbdunkel zischen. Ehla wich vor dem grausigen Leuchten des Schwertes nicht zurück, sondern blickte ihn mit ruhiger Entschlossenheit an und hob eine Hand, um jemanden abzuhalten, der im Flur wartete. Isak spürte Magie durch seinen Körper strömen und erkannte, dass Fernal dort stand und auf diejenigen aufpasste, die er zu schützen geschworen hatte.
Es gibt keinen Grund, ärgerlich zu werden. Du schmähst sein Andenken nicht, wenn du hinnimmst, dass auch er Fehler hatte. Sie machen einen Mann ebenso aus wie seine guten Seiten, und sie verraten mehr über sein Wesen. Sie machte einen Schritt auf ihn zu, nah genug heran, um tröstend eine Hand auf seinen Arm legen zu können.
Kurz glaubte er, sie würde ihn berühren, vielleicht um ihre Aufrichtigkeit zu betonen, aber sie tat es nicht. Er senkte das Schwert und schämte sich für seine Unbeherrschtheit.
Es ist wichtig für einen Mann, die eigenen Fehler einzusehen, und das gilt für einen Lord umso mehr. Wenn du nicht verstehst, was in dir steckt, kannst du das Land auch nicht verstehen. Es ist der Schleier, durch den du alles siehst. Sie wandte sich um und ging, mit so
fließenden Bewegungen, dass sie wie ein Geist dahinzugleiten schien. Der zerfranste Rand ihres Kleides glitt leise raschelnd über die gesprungenen Dielen.
Bevor sie in den Flur trat, warf sie Isak einen letzten nachdenklichen Blick zu. Sieh in dich hinein, mein Lord. Lerne verstehen, was dort liegt, dann wirst du das Land mit neuen Augen betrachten.
Isak war wie erstarrt. Er hörte das Knarren der Treppenstufen, als Fernal sie hinabstieg, und dann die Tür zuschlagen. Sie hatten das Haus verlassen und er war wieder allein in seiner ruhigen Oase, von den anderen durch die Mauern getrennt, die er in seinem Innern errichtet hatte. Nach einer Weile bemerkte er, dass sein Ärger verpufft war, wie Rauch im Wind. Das Schuldgefühl jedoch blieb. Es würde nicht so einfach zu beseitigen sein, aber zumindest war er nicht mehr von dem Verlangen erfüllt, alles in seiner Nähe zu zerstören, sondern konnte wieder klar denken. Er nahm Eolis’ Lederscheide vom Gürtel und steckte das Schwert hinein. Dann setzte er sich, mit dem Rücken an die Wand gelehnt.
»In mein Inneres blicken? Was soll ich da schon finden?«, fragte er sich laut. »Einen Jungen, der vorgibt, ein König zu sein? Einen König, der so tut, als sei er ein Junge?« Er verzog das Gesicht. »Ein Monster, das sich in seine Fesseln wirft? Oder alles zusammen.«
Er dachte über Ehlas Worte nach. Mit neuen Augen. Er musste das Land mit neuen Augen sehen. »Was ich mit neuen Augen sehen muss, ist diese verdammte Stadt, damit ich den Wahnsinn hier durchschaue.«
Und dann erkannte er, dass ihm die Hexe, möglicherweise ohne es zu wissen, eine dringend benötigte Lektion erteilt und ihn zu den Antworten gebracht hatte, nach denen sie alle suchten, Antworten, die weder Zhia Vukotic noch König Emin liefern konnten, die jedoch für sie alle in den kommenden Jahren vielleicht die Rettung darstellten.
Blicke in dein Inneres.
Isak lächelte und tat es. Dort fand er ganz neue Augen.
Also, mein angeketteter Drache, dachte er, ich brauche deinen Blick, bevor ich losziehe, um Isherin Purn zu töten. Du hast dich in mir versteckt, seit wir in Scree angekommen sind, warst mucksmäuschenstill – oder eher so still wie ein Kind, das sich unter der Bettdecke versteckt. Wie ein König, der vorgibt, ein Junge zu sein. Etwas hier
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