Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Sturmbote

Sturmbote

Titel: Sturmbote Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Lloyd
Vom Netzwerk:
Feste, wo er hätte sterben sollen – bis er in einem letzten Akt der Verzweiflung einen Namen rief und damit ein gänzlich anderes Schicksal besiegelte.
    »Ich erinnere mich«, sagte Isak kleinlaut. Schmerz und Trauer strömten nun aus der Seele des toten Königs. Isak brauchte eine Weile, um die Verzweiflung abzuschütteln und wieder zu seinen Fragen zurückzufinden.
    »Was will Azaer? Wie hängen die Schädel mit der Zerstörung Screes zusammen?«
    Öffentliche Taten verraten wenig, nur wenn sie im Schatten begangen werden, sprechen sie die Wahrheit.
    Isak zögerte. »Das könnte alles eine Ablenkung sein? Tausende werden sterben, sind bereits gestorben. So einfach kann es nicht sein. Wenn Azaer nur mit leichter Hand Einfluss auf die Ereignisse nahm, dann vermutlich, weil er nicht mächtig genug war, um stärker mitzumischen. Diese Änderung in seinem Vorgehen bedeutet, dass er entweder mächtiger wird oder ein Risiko eingeht.«
    Er versuchte all das zu verstehen. Zum hundertsten Mal seitdem er erst zum Krann erwählt und dann zum Lord der Farlan gemacht wurde, verfluchte er seine Unwissenheit. Er hatte sich Zeit genommen, wann immer es möglich gewesen war, um sich
durch unverständliche Schriftrollen und uralte Bücher zu arbeiten. Er las nicht gerne, aber er kannte den Wert des Wissens. Der Geruch von Ledereinbänden hatte sich mit der Zeit fest mit der Sehnsucht nach einer frischen Brise in seinem Haar verbunden, und das Gefühl rauen Pergaments unter seinen Fingerspitzen brachte eine schlimme Vorahnung mit sich, denn dem folgten stets die gestelzten, ritualisierten Schriften, die seinen Geist unweigerlich in Watte hüllten.
    »Das kann nicht sein«, murmelte Isak vor sich hin.
    Alle Taten haben einen Zweck , sagte der tote König ernst. Aber welchen Nutzen haben große Gesten für einen Schatten?
     
    In kurzen, stoßweisen Bewegungen voller Vorsicht kamen sie in Sicht der Barrikaden. Sie lauschten auf Stimmen: Anzeichen für eine Panik, plötzliche Rufe, alles, was einen Befehl zum Angriff darstellen könnte. Doranei blickte zu dem halben Dutzend brennender Häuser auf der linken Seite hinüber, das lange Schatten über König Emins erschreckend kleinen Trupp warf. Die Männer gingen in drei peniblen Reihen die Mitte der Straße entlang. Sie schritten zügig aus, hielten die Formation, die ihren besten Schutz gegen Verteidiger auf den Barrikaden darstellte. Doch auch so lauschten alle Mitglieder der Bruderschaft beständig auf das Pfeifen eines ersten Pfeils.
    »Euer Majestät.«
    Doranei musste den Kopf nicht drehen, um zu wissen, dass da Beyn sprach, der auf der rechten Flanke lief. Von ihren gleichmäßigen Schritten abgesehen war es still auf der Straße, und so konnte man ihn gut hören.
    »Da ist etwas in den Schatten«, sagte Beyn.
    »Etwas?«, wiederholte der König.
    »Eine Gestalt. Zu schnell, um sie richtig zu sehen, aber groß, kein Bürger.«

    »Mit weißem Kapuzenmantel? Beobachtet sie uns?«
    »Ja, ganz in Weiß. Beobachtet die Barrikaden, hat uns aber auch gesehen. Ist allein, hat keine Angst, entdeckt zu werden.«
    »Gib mir Bescheid, wenn die Gestalt näher kommt«, sagte König Emin. »Wir wollen nicht in die Probleme anderer Leute verwickelt werden.«
    »Wer ist es?« Endine konnte sich ein Flüstern nicht verkneifen.
    Doranei sah seinen König an, der von dieser Neuigkeit beunruhigt schien, auch wenn seine Stimme ruhig geklungen hatte.
    »Das Ende Screes ist also nahe«, sagte er leise und traurig. »Wenn der Saljinmann eine Stadt betritt, dann nur weil sie nicht länger eine Stadt ist.«
    »Der Saljinmann?« Jetzt klang Endine ängstlich. »Der Fluch der Vukotic?«
    »Eben jener. Der Dämon kann jedem Mitglied dieses Stammes folgen. Er spürt wohl den Tod, der Zhia umgibt. Wir sollten uns beeilen.«
    Das ließen sie sich nicht zweimal sagen und gingen nun schneller. Sie alle hatten schon von dem Dämon gehört, der den Vukotic Stamm plagte, und nicht einmal Coran wollte die Klingen mit ihm kreuzen.
    Der Boden vor der Barrikade war mit Leichen übersät, die meisten unbewaffnet und schrecklich dünn, und mit den Pfeilen, die man nach unzähligen überstandenen Angriffen nicht mehr eingesammelt hatte. Doranei versuchte sich die Leichen nicht allzu genau anzusehen, rammte aber jedem in der Nähe Liegenden sorgfältig das Schwert in den Leib, für den Fall, dass eine dieser räudigen Kreaturen noch nicht ganz tot war. Bisher hatten sie Glück gehabt und auf dem Weg vom Herbstbogen, wo

Weitere Kostenlose Bücher