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Sturmbote

Sturmbote

Titel: Sturmbote Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Lloyd
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gewähren. Isak öffnete den Mund, aber ihm fehlten noch immer die Worte. Er löste den Griff und zog den Arm zurück, denn er fühlte sich närrisch und ungelenk.
    »Lass dich bloß nicht umbringen, hörst du?«, sagte er dann und klang fast ärgerlich. »Ich habe noch einiges für dich zu tun, wenn du sie zurückbringst.«
    »Ja, mein Lord«, antwortete Mihn, so undurchschaubar wie eh und je.
    Isak trat von einem Fuß auf den anderen. »Nun, dann solltest du wohl mal aufbrechen«, sagte er ruppig.
    »Ja, mein Lord.« Mihn verbeugte sich und wandte sich zum Gehen.
    Ach verdammt, ich bin schon ein Dummkopf, dachte Isak mit einem Mal. Bisher musste ich mich noch nicht allzu oft von einem Freund verabschieden.
    »Mihn, warte«, sagte er plötzlich. Gut, und was sage ich jetzt? »Danke, dass du das für mich tust. Xeliath liegt immerhin eigentlich in meiner Verantwortung. Du bist ein treuer Gefolgsmann, wie man ihn sich nur wünschen kann – und dazu ein Freund.«
    Auf Mihns sonst so ausdruckslosem Gesicht erschien ein Lächeln. »Ich freue mich, wieder einen Lebenszweck zu haben«,
sagte er. Einen Augenblick lang zögerte er, etwas aus der Fassung gebracht. »Ich … als ich jung war, noch bei meinem Volk, kamen Waffenmeister aus den entferntesten Clans herbei, um mir bei einem Übungskampf zuzusehen. Ich bin … ich war der beste Schwertkämpfer, den sie jemals gesehen hatten. Einer sagte sogar, es käme ihm vor, als sehe er dem König der Tänzer zu.«
    »Wem?«
    »Eine Sage der Harlekine besagt, dass wir eines Tages unseren eigenen König haben würden, der unseren Dienst an den sieben menschlichen Stämmen beenden würde. Es ist keine Prophezeiung  – nicht einmal wir Harlekine kennen den Ursprung – aber jedem Kind wird davon berichtet, seit Generationen, denn es ist die einzige Geschichte, die uns allein gehört. Die Vergangenheit, von der wir berichten, befasst sich nicht mit den Clans. Von diesem Tag an wurde ich anders behandelt, als wäre mein Schicksal besiegelt und ich der Träger ihrer Hoffnungen.
    »Als ich versagte, weinten die alten Männer, als gäbe es keine Zukunft für sie. Ich weiß, dass es bei Euch nicht das Gleiche ist, aber ich weiß, wie es ist, Erwartungen erfüllen zu müssen. Ich habe es gehasst, betrachtete es als Bürde. Jetzt bin ich froh, dass ich wieder Teil von etwas Großartigem sein darf.«
    Isak sagte nichts. Er war durch diesen Gefühlsausbruch und Mihns unerwartete Bereitschaft, etwas so Persönliches mit ihm zu teilen, wie gelähmt.
    »Denkt nur immer daran«, fuhr Mihn fort und riss sich wieder zusammen, »dass Ihr von den Göttern gesegnet seid. Vergesst und bereut dies niemals.«
    Damit wandte er sich ab und ging zu seinem Pferd. Er lief beschwingt, als wäre eine Last von seinen Schultern genommen worden.
    »Ich hoffe, du erinnerst dich auch daran«, sagte Isak zu Mihns Rücken, wusste aber nicht, ob der Mann ihn gehört hatte.

    Als die beiden hinter einem großen, grasbewachsenen Granitblock verschwunden waren, führte Lordprotektor Saroc die Gruppe in die andere Richtung, nach Osten, auf die Stadt zu. Unterwegs erklärte der Lordprotektor Isak, dass die Stadt der Abtei in ihrer Mitte gehörte, die wiederum von der Bruderschaft der heiligen Lehre geführt wurde. Sein Großvater hatte ihnen Land geschenkt, das an den Ufern des Flusses lag, aber der zweite Abt, ein Mann mit gesundem Geschäftssinn, hatte die Entwicklung des Dorfes gefördert und so war das einstmals verschlafene Nest zu einer umtriebigen Stadt geworden.
    Im Näherkommen bemerkte Isak eine zunehmende Zahl gesunder junger Männer in blauem Habit, die über das Maß der Bewohner eines gewöhnlichen Klosters hinausging. Der Lordprotektor war ein beliebter Mann und hielt immer wieder inne, um mit der Stadtbevölkerung zu sprechen. Die wichtigsten Leute stellte er Isak vor, aber die meisten waren von dem riesigen Weißauge zu eingeschüchtert, um mehr zu tun, als sich zu verbeugen und einen Gruß zu murmeln. Doch auch so fühlte sich Isak alles in allem willkommen und seine Befürchtungen hinsichtlich der Bruderschaft wurden zerstreut – bis er sich daran erinnerte, dass es leicht war, jemandem etwas für einen einzigen Tag vorzuspielen. Er würde Lesarls Meinung einholen müssen, bevor er dies alles für bare Münze nehmen konnte.
    Vor der Abtei erwartete sie eine kleine Gruppe von Männern. Sie waren allesamt in ein dunkles Blau gekleidet, wie es sich für Mönche des Nartis geziemte, aber an den

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