Sturmbote
Erwachsenenlebens würden nur zu bald zurückkehren. Doch noch war es Sommer, und er war bei strahlender Sonne von Freunden umgeben.
Mit einem Stöhnen schwang sich Isak in den Sattel. Obwohl der Morgen etwas kühler war, erschien Isak das neue grüne Hemd,
mit einem Drachen verziert, unangenehm warm. Doch er würde sich wie ein Herzog geben, wenn er Morghien und Mihn verabschiedete. Es war im Hause Saroc üblich, Reisende auf der ersten Stunde ihrer Reise zu begleiten und der Lordprotektor hatte beschlossen, dies zu Gunsten einer Reise zur nächstgelegenen Stadt zu nutzen.
Die roten Eichenblätter, die den ganzen linken Ärmel entlang eingestickt waren, zogen die Aufmerksamkeit auf die Haut seiner Hand, aber er konnte den Eindruck nicht leugnen, den dies machte. Isak sah deutlich mehr nach einem Farlan-Adligen aus als jemals zuvor. Nur der weiße Mantel um seine Schultern störte das Bild ein wenig, aber man hatte Bahl nun offiziell für tot erklärt, weshalb alle in der Gruppe ebensolche Mäntel trugen, auf die uralte Symbole der Trauer eingestickt waren. Die Frauen trugen weiße Schals und würden für zwei Trauerwochen ihr Haar bedecken.
»Ich muss sagen, Gräfin, Eure Näherin hat sich selbst übertroffen«, sagte Tila, als Isak Megenn wendete.
»Das vollkommene Bild eines Edelmannes«, stimmte die Gräfin lächelnd zu. Isak funkelte die beiden an, meinte es aber nicht ernst. Er musste zugeben, dass es ihm gefiel, neue Kleidung zu tragen. Die monatelange Reise hatte ihre Ausstattung ordentlich mitgenommen.
»Die Leute werden sich darüber unterhalten, wie die Zeiten sich ändern«, fuhr Tila fort.
»Lord Bahl galt bei den Leuten als eigenbrötlerisch und zudem schlecht gekleidet. Ich fürchte, das hat ihm nicht zum Vorteil gereicht.«
»Ich glaube wohl kaum, dass es sich lohnt, an die Meinung der Leute zu seiner Kleidung auch nur einen Gedanken zu verschwenden«, sagte Isak ohne Zorn. Dennoch verstummte Tila. Seit Lord Bahls Tod verteidigte Isak ihn ständig.
»Dies ist Euer erstes öffentliches Auftreten als Lord der Farlan«, sagte Tila bestimmt. »Es mag Euch nicht gefallen, trotzdem wird sich die Kunde davon, wie Ihr Euch heute gebt, schnell in allen Lordprotektoraten verteilen. Sie haben bisher nur erfahren, dass Lord Bahl tot ist. Sie werden beruhigt sein, dass Ihr auch so ausseht wie der Herzog von Tirah.«
»Ich vermute, dass sie bereits zu viel über mich gehört haben.«
»Dann haben wir hier ein neues Bild, das wir ihnen vorführen können«, sagte Tila, noch immer gefasst. »Der neue, verfeinerte Lord Isak, Herzog von Tirah, ist etwas ganz anderes als der unzivilisierte Lordprotektor Anvee!«
»Was eine Frau nicht alles für eine Staatshochzeit tut«, erinnerte sich Isak an Lord Bahls Abschiedsworte. Er grinste, als sie errötete. Eine Staatshochzeit, in der Tat, dachte er. Je eher, desto lieber, sonst war es womöglich zu spät dafür – es würde ihn wundern, wenn eine Jungfrau so lächeln konnte.
Graf Vesna trieb sie zum Tor hinaus und verhinderte so weitere Worte. Morghien und Mihn warteten dort bereits ungeduldig, und kaum erblickten sie Isak, wendeten sie ihre Pferde und verfielen in leichten Galopp. Es dauerte eine Weile, bis die anderen aufschlossen, aber dann ritten sie in angenehmer Geschwindigkeit nebeneinander her.
Der morgendliche Nebel hielt sich nicht lang und die Luft war mit dem Gesang der Vögel angefüllt. Isak bemerkte, wie anders das Land hier war, weit von den Bergen und dunklen Wäldern entfernt, die er als Wagenzugbalg Heimat geheißen hatte. Der hügelreiche Boden Sarocs bestand zum größten Teil aus Buschland, wo man die Wälder gerodet hatte: Ziegen und Langhornschafe befanden sich darauf. Immer wieder lag ein von einer Bruchsteinmauer oder hohen Brombeerhecken umgebenes, bestelltes Feld dazwischen.
Die Stunde war bald vergangen, es wurde zunehmend wärmer.
Sie verabschiedeten sich auf der Straße knapp voneinander und wurden dabei von einem einsamen, alternden Straßenarbeiter beobachtet, den Lordprotektor Saroc mit Namen gegrüßt hatte.
Als es soweit war, fand Isak keine Worte für den Mann, der sechs Monate lang sein Schatten gewesen war. Die Worte blieben Isak in der Kehle stecken, als ihm aufging, wie sehr er seine stumme – und obwohl er erst dreißig Sommer zählte: seine auch beinahe väterliche – Anwesenheit durchaus vermissen würde.
Sie fassten sich bei den Unterarmen und Morghien trat beiseite, um ihnen etwas Zeit allein zu
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