Sturmbote
erschrocken. »Ich wusste gar nicht, dass Morghien in der Gegend war. Genauer gesagt, ich wusste nicht einmal, dass Ihr und er euch kanntet. Wie es scheint, muss ich einiges nachholen. Wann brach er auf?«
»Heute, am Morgen.«
»Es wundert mich, dass er nicht auf mich gewartet hat. Ich habe ihn lang nicht mehr gesehen. Ich habe mich bereits gefragt, ob er uns wittern kann. Ich kann nicht mehr zählen, wie oft er
schon plötzlich hinter dem einzigen Baum auf einer sonst verlassenen Straße hervortrat.«
Isak entspannte sich ein wenig. Ilumene war irgendwie seltsam, aber er hatte auch nicht alle Brüder gemocht, die er in Narkang getroffen hatte. Den großen Blonden mit der Narbe über die ganze Seite des Gesichts, Beyn, zum Beispiel. König Emin und Doranei waren sich seiner Loyalität völlig sicher, aber etwas im Gesicht des Mannes hatte Isak nicht gefallen. Ich nehme an, das liegt einfach daran, dass er den Hochmut eines Weißauges an den Tag legt , dachte er, um ehrlich mit sich selbst zu sein.
Da Ilumene Morghien kannte und der Wanderer mit Sicherheit nicht leichtfertig Freundschaften schloss, steckte Isak Eolis weg.
Ilumene trat einen Schritt näher, damit sie sich leichter unterhalten konnten.
»Nun, das erklärt wohl, wie Ihr an den Wachen vorbeigekommen seid«, sagte Isak. »Ich hoffe, Ihr habt keiner ein Leid angetan.«
Ilumene lächelte schmal. »Einer von Ihnen wird unter verletztem Stolz leiden, wenn seine Kameraden ihn finden, aber das ist alles. König Emin mag viele schlechte Angewohnheiten seiner Leute unterstützen, aber Mordlust gehört nicht dazu.«
Ilumene sagte all dies zwar lächelnd, in seiner Stimme lag aber eine Schärfe, die Isak nachdenklich machte. Die meisten Mitglieder der Bruderschaft brachten dem König einen beinahe ehrfürchtigen Respekt entgegen. Bei Ilumene klang es so, als wäre ihm der König vertrauter. Vielleicht liegt das daran , dachte Isak , dass sie sich so ähnlich sind. Während seines kurzen Aufenthalts in Narkang hatte Isak bereits erfahren, dass König Emin nicht auf Formalitäten bestand, wenn es nicht gerade nötig war.
Isak brach das kurze Schweigen: »Ich nehme an, es gibt einen Grund für Eure Anwesenheit?«
»Den Handlungen meines Herrn liegt stets ein Zweck zugrunde.«
Und wie steht es mit deiner Wortwahl? , dachte Isak. Er verbarg, dass es ihm kalt den Rücken herunterlief. Der Mann spielte ein Spiel, versuchte Isak aus der Fassung zu bringen – aber was sollte man auch sonst von einem Freund König Emins erwarten?
»Und was für ein Zweck ist das?«
Ilumene zuckte die Achseln. »Ich soll Euch eine Nachricht überbringen, auch wenn ich nicht behaupte, die Hintergründe zu durchschauen. König Emin reist heimlich nach Scree, nur von der Bruderschaft bewacht – man hielt es für besser, dass Ihr davon erfahrt.
»Scree? Warum? Was geht dort vor sich?«
»Ich werde noch heute Nacht aufbrechen, um das herauszufinden. Die Nachricht war kurz, es gab keinen Platz für Erklärungen. Ich habe jedoch von einem Mönch gehört, der aus seinem Kloster geflohen sein soll und sich nun in Scree versteckt.«
»Ein Mönch? Was könnte ein Mönch getan haben, dass Emin ihn persönlich zur Strecke bringen will?« Isak war verwirrt. »Und dann auch noch ausgerechnet in Scree? Ich hätte gedacht, dass sich Emin ganz sicher nicht in eine Hochburg des Weißen Zirkels begeben würde.«
»Es sei denn, er erachtet es als wichtig genug«, berichtigte Ilumene ihn. »Ich habe den Eindruck, dass nicht nur der König den Mönch jagen wird.«
»Wie kann ein Mönch eine solche Aufmerksamkeit auf sich ziehen … Nein, einen Augenblick, lasst mich nachdenken. Wenn der Mönch etwas Unrechtes getan hätte, würde man ihm Meuchelmörder auf den Hals hetzen. Wenn König Emin ihm selbst nachsetzt, muss der Mann ein Todfeind sein … oder etwas besitzen, das der König sich selbst holen will. Ein Artefakt möglicherweise?«
»Eine weise Annahme«, stimmte Ilumene zu. »Aber ich kann Euch wirklich nicht mehr sagen. Und jetzt muss ich aufbrechen.«
»Wartet«, sagte Isak, als Ilumene sich abwandte. »Warum hat er die Nachricht geschickt? Will er, dass ich Scree nicht belagere? Oder soll ich irgendwie Anteil nehmen?«
»Der König hat mir keinen Grund genannt, aber ich bin sicher, dass er eine etwas weniger brachiale Form der Rache Eurerseits vorziehen würde, als die Stadt zu zerstören, in der er sich gerade befindet. Ich kann nicht ergründen, ob er möchte, dass Ihr Euch
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