Sturmbote

beteiligt. Wenn der König Eure Anwesenheit für nötig erachtete, so hätte er sicher nach Euch geschickt.«
    Isak knurrte unwillig, denn die Andeutung, er habe Befehlen des Königs zu gehorchen, gefiel ihm nicht. »Dann sollte Euer König ein bisschen besser aufpassen, was er für selbstverständlich hält«, fauchte er.
    Ilumene verneigte sich schweigend und verschwand im Schatten eines Lorbeerbaums. Trotz seines außergewöhnlichen Gehörs würde Isak ihn so nicht hören können. Es war, als habe er sich einfach in Dunkelheit aufgelöst.
    Scree? Was lockte König Emin nach Scree? Er blickte nach Süden, wo er ein mattes Schimmern der Dämmerung wahrnahm. Er verspürte einen plötzlichen, verzweifelten Drang herauszufinden, was der König vorhatte.
    »Aber zuerst nach Hause«, erinnerte er sich. »Alles andere muss warten.«

6

    Zhia eilte in den Schatten der von hohen Säulen gesäumten Veranda, den dicken Schal weit ins Gesicht gezogen, um sich vor der gleißenden Nachmittagssonne zu schützen. Ihr Kutscher Panro, der Wache und Diener in einem war – und an einem besonders langweiligen Tag in Narkang auch ihr Liebhaber – schloss die Kutschentür und kletterte wieder auf den Kutschbock. Er würde sich nicht weit entfernen. Es schien unwahrscheinlich, dass der Rote Palast in der kurzen Zeit, die Zhia dort verweilen wollte, Besuch bekommen würde. Scree wartete müde auf den Abend, darauf, dass die Sonne nachließ. Die Geschäfte und Stände waren geschlossen und sogar die eifrigsten Händler hatten sich ein schattiges Plätzchen oder einen dunklen Flur gesucht. Zhia überkam ein Lächeln. Der ungewöhnlich heiße Sommer hatte sich als unerwartetes Geschenk herausgestellt. In Scree schliefen sie während des Tages alle, so dass ihre nächtliche Lebensweise nicht weiter auffiel.
    Zhia hielt inne und genoss die leichte Brise, die durch die hohen Türen wehte und den süßen Geruch von Rosen und Orangenbäumen aus dem Innern mit sich brachte. Ein Mann in dunkelbrauner Livree wartete mit gesenktem Kopf auf sie. Kein Mitglied des Weißen Zirkels würde sie begrüßen, denn es war Sitte, dass sich Gäste erst frisch machten, bevor man sie vorließ.
Dies war für Zhia besonders nützlich, denn schon ein einzelner verirrter Sonnenstrahl hätte ihre Haut geschwärzt und verbrannt.
    »Die edle Dame Siala hat Kunde von meiner Ankunft?«, fragte sie und schnippte nach dem Mann. Ihr Fysthrall-Akzent und ihre dazu passenden Manieren waren makellos.
    »Ja, edle Dame Ostia.« Der Mann sprach mit weiterhin gesenktem Blick. »Ich soll Euch sofort in ihr Arbeitszimmer führen.«
    Warum das? , dachte Zhia. Sie steht an der Spitze des Weißen Zirkels, da nun die übrige Führerschaft tot ist, dafür habe ich gesorgt. Braucht sie nur einen Bericht über deren Versagen? Oder wusste sie, dass die Königin der Fysthrall den Schädel der Wege bei sich gehabt hatte? Es war eine gute Idee, ihn in der Kutsche zu lassen. Sie wird nicht darauf kommen, die Kutsche durchsuchen zu lassen, wohingegen sie sehr wohl einen Magier dort oben bei sich haben kann.
    Der Diener wartete geduldig auf eine Antwort. Als sie schließlich energisch mit dem Finger ins Innere des Palastes wies, verneigte er sich und ging vor. Im Innern, so erkannte sie, während sie ihm folgte, setzte sich das Rot als Motiv noch fort. Von außen wirkten die bemalten Säulen, Fensterrahmen und Türen unverwechselbar, sogar ansprechend, wenn man sie aus der Ferne betrachtete. Hier drinnen wirkten die Farben eher grell und aufdringlich und passten nicht zu den eleganten Möbeln. Diese waren viel zu fein für jemanden aus der Gegend, vor allem für den Herzog, den Siala vor kurzem abgesetzt hatte. Siala stammte allem Anschein nach aus Tor Salan, aber bis sie der Frau gegenüberstand, konnte sie keine Schlüsse über den Urheber der Raffinesse ziehen. Zhia hoffte sehr, dass sie gebildet war. Der Rest des Zirkels war für ihren Verstand kaum eine Herausforderung gewesen, und eine kluge Gegenspielerin würde ihren Aufenthalt in Scree deutlich unterhaltsamer gestalten.
    Über eine offene Treppenflucht erreichte sie den zweiten Stock und blickte aufmerksam zu den großen Fenstern. Sie wagte es
nicht oft, bei Tag auszugehen. Und wenn es nötig wurde, ergriff sie jede Vorsichtsmaßnahme.
    Sialas Arbeitszimmer lag am Treppenkopf. Auch diese Tür war nicht vom roten Wahn des vormaligen Herrschers von Scree verschont geblieben. Die Gesichter auf den vier Flächen waren rot gefärbt und mit