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Sturmbote

Sturmbote

Titel: Sturmbote Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Lloyd
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lange Sicht weise?« Die anderen am Tisch waren verstummt, alle beobachteten den Austausch ebenso aufmerksam wie Isak.
    »Was könnte daran nicht weise sein, meine Dame?«, fragte Tila. »Herzog Certinse ist ohne jeden Zweifel ein Verräter. Er hat
uns überfallen und versucht, den Lord der Farlan zu töten. Darauf kann nur mit der Hinrichtung geantwortet werden.«
    »Eine gnadenvolle Antwort«, knurrte Lahk vor sich hin.
    Die Gräfin ignorierte ihn. »Aber Herzog Certinse ist ein Mann von Stand und hat eine hohe Stellung inne. Es ziemt sich wohl kaum, dass er wie ein gemeiner Verbrecher behandelt wird. Und Lord Isak ist bislang nicht offiziell als Lord der Farlan bestätigt worden, so dass der Prozess durch rechtliche Fragen in die Länge gezogen werden könnte.«
    »Dann ist er immer noch Lordprotektor Anvee«, unterbrach Lordprotektor Saroc scharf. »Es war nicht so, dass Certinse und seine Familie ihr Lordprotektorat gegen einen Einmarsch verteidigt hätten. Hätte ich sie begleitet, dann gäbe es vielleicht einen Streitpunkt. Aber so ist die Sache eindeutig.«
    Die Gräfin hob beschwichtigend die Hände. »Ich billige seine Taten nicht, ich frage lediglich, ob es weise ist, den Mann öffentlich zu hängen. Es kann dem einfachen Volk nicht gut bekommen, wenn es bei der Hinrichtung eines Mannes des Hochadels zusieht, vor allem, wenn andere mit ihm sterben. Sogar in den Schenken überall im Lande wird man die Einzelheiten dieses Prozesses besprechen.«
    »Fürchtet Ihr einen Aufstand?«, fragte Tila und zwang die Gräfin damit, sich ihr wieder zuzuwenden.
    Isak glaubte ein Zweifeln im Gesicht der Frau aufblitzen zu sehen, aber sie fuhr ohne zu zögern fort: »So etwas Schwerwiegendes nicht, nein, aber die Schande und Entehrung wird weite Kreise ziehen. Je törichter der Adel erscheint, umso näher wähnt sich das einfache Volk unser. Das könnte gefährlichen Vorstellungen Vorschub leisten. Mit General Lahk sind genug seines Standes hier im Raum, um den Prozess sogleich an Ort und Stelle abzuhalten.«
    Isak wandte sich mit einer Grimasse an den Vogt. »Hast du das
gehört, Dupres?«, flüsterte er. »Lass dir bloß nicht einfallen, du wärest von der gleichen Art wie die Gräfin.«
    »Das würde ich nicht wagen, mein Lord«, erwiderte Dupres trocken.
    »Selbst jetzt, da ich plötzlich kein einfacher Mann mehr bin, kann ich ihre Ängste nicht nachvollziehen. Die Reichen sind reich, die Armen sind arm. So ist das Leben. Als ich arm war, wollte ich reich sein, und zwar nicht, weil ich den Adel hasste, sondern weil das besser ist, als arm zu sein. Und doch scheint ihresgleichen den Tag zu fürchten, an dem sich der Diener gegen sie wenden und sich zum Herrn des Hauses ernennen wird.«
    »So etwas ist möglich, mein Lord«, sagte Dupres. »Es gab in der Vergangenheit unzählige Aufstände, trotz der Bemühungen des Adels.«
    »Aber meist gibt es einen Grund dafür. Wenn eine Hungersnot entsteht und der Lord nichts dagegen unternimmt, wer kann einem Mann dann Vorwürfe machen, wenn er versucht, seine Familie zu ernähren?«
    »Wenn es nicht zu vermessen ist, mein Lord …«
    Isak bedeutete Dupres fortzufahren. Die Etikette interessierte ihn nicht, er wollte die Meinung des Mannes hören. Dupres zögerte kurz, aber er hatte heute schon genug gesehen, um zu erkennen, dass dieses Weißauge wenig höflich mit seinen Beratern umging.
    »Der Verwalter Eurer Ländereien in Anvee würde einem Mann, der Essen stiehlt oder sich in Eurer Abwesenheit zum Lord des Hauses erklärte, sehr wohl Vorwürfe machen.«
    »Vielleicht, aber das Leben ist eben nicht gerecht. Durch eine Revolte ändert sich nicht viel. Am Ende ist ein anderer Mann reich oder die ganze Gegend erleidet einen Zusammenbruch. Gibt es einen gerechteren Weg? Die Adligen sind überzeugt, dass
es ihn gibt, und sie fürchten sich tagein, tagaus davor. Das gemeine Volk hingegen, das sie so fürchten, arbeitet lieber.«
    Darauf hatte Dupres keine Antwort.
    Isak leerte seinen Weinkrug und der Vogt nahm ihn sofort an sich, um nachzuschenken.
    »Trink mit mir. Es wäre gut, die Meinung eines vernünftigen Mannes zur Lage des Landes zu hören.«
    »Das, äh, das wäre unziemlich, mein Lord, wenn der Vogt den Wein tränke, den er ausschenkt …«
    »Ich weiß. Damit würde man die Grenzen überschreiten«, sagte Isak ernst, schlug Dupres dann aber auf die Schulter. »Zum Glück bin ich, wie ich auf dem Weg hierher sagte, der Herr über alles, was das Auge erblickt. Und das

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