Sturmbote
einer Stange herabhing. Isak war sicher, dass dies auf dem Hinweg noch nicht so gewesen war. Sein Drang war zugegebenermaßen groß gewesen, dank einer gewaltigen Menge des exzellenten Ales von Lordprotektor Foleh, aber sein Geist war noch nicht getrübt. Einer der Diener musste hindurchgegangen sein und vergessen haben, die Flagge hinter sich wieder zurechtzuziehen.
Isak war niemals jemand gewesen, der seine Neugier bekämpft hätte, und so lehnte er sich durch die Öffnung und spähte nach oben. Nur eine einzelne Fackel am oberen Ende spendete Licht, aber bis auf abgelaufene Stufen war nichts zu sehen. Es roch modrig. Mit der üblichen Heimlichkeit erklomm der Herzog von Tirah die Treppe, die sich nach einer vollen Umdrehung in einen halbdunklen, quadratischen Raum hinein öffnete.
Im Vergleich zum Rest der Burg waren die Dachbalken niedrig, lagen nur einen Fingerbreit über seinem Kopf. Ein Geländer umringte ein quadratisches Loch im Boden, das den Raum eher in eine Galerie verwandelte. Auf dem Geländer lehnten zwei Männer in Livree, einen davon erkannte Isak als den Vogt des Lordprotektors. Beide starrten angestrengt in die Halle unter sich hinab, wiesen auf die Tische und die Leute. Der Vogt sagte etwas
und der andere nickte und richtete sich auf. Er keuchte erschrocken, als er Isak sah.
Der Vogt folgte dem Blick seines Kameraden und riss die Augen auf, doch Isak bedeutete ihnen, ruhig zu bleiben. Der Diener blieb unsicher stehen, warf einen Blick zur Seite, wo zwei Krüge voll von Wein auf einem kleinen Tisch standen. Isak erkannte nun, wohin der Mann hatte gehen wollen. Im Raum unter ihnen befanden sich keine Diener, und doch waren die Kelche den ganzen Abend lang stets gefüllt gewesen. Isak machte die Treppe frei und bedeutete dem Diener fortzufahren, was dieser nach einer hastigen Verbeugung auch tat. Er wirkte erleichtert darüber, gehen zu dürfen.
Isak lehnte sich auf das Geländer, wie die Männer zuvor auch, und blickte auf die Leute, mit denen er gespeist hatte. Dreiundzwanzig saßen um den Tisch herum, man hatte nach einem schicklichen Anfang bald eine lockere Sitzordnung eingenommen. Drei oder vier Gespräche wurden geführt. Isak fing den Blick des Vogts auf und machte es sich bequem, um der Vorstellung zuzusehen. Der Vogt entspannte sich sichtlich und ergriff einen Kelch mit Wein, den er Isak in die Hand drückte.
»Danke«, flüsterte Isak.
Der Vogt verneigte sich und nahm, als Isak neben sich auf das Geländer wies, nach kurzem Zögern seinen Posten neben dem Lord seines Volkes wieder ein. Isak musste sich ein Schmunzeln verkneifen. Er hatte noch nie gesehen, dass man es sich so formell bequem machen konnte, aber so langsam begriff er, welche Auswirkungen sein Titel hatte. Er würde sich daran gewöhnen müssen.
»Wie heißt du? Dienst du Lordprotektor Foleh schon lang?«, fragte Isak leise, damit man ihn dort unten nicht hörte.
»Dupres, Euer Gnaden, mein Name ist Dupres. Ich arbeite schon mein ganzes Leben in der Burg und seit sechs Jahren bin ich der Vogt des Lordprotektors.«
Dupres war ein Mann Anfang vierzig, schätzte Isak. Seine Augenbrauen neigten sich der Nase zu und Sorgenfalten umringten seine Augen. Er hatte den Mann zuvor schon bemerkt, immer in der Nähe seines Herrn, unaufdringlich, aber stets jeden Wunsch vorausahnend.
»Du dienst ihm gut. Ich kenne wenige Diener, die so aufmerksam sind.«
»Danke, mein Lord.«
Von unten klang die Stimme der Gräfin von Lehm herauf und erregte Isaks Aufmerksamkeit. Er lehnte sich weiter vor, um dem Gespräch besser folgen zu können.
»Graf Vesna, hat Lord Isak verkündet, was er mit Herzog Certinse zu tun gedenkt?«
»Er wird den Mann natürlich vor Gericht stellen«, war Vesnas knappe Antwort. Ihm hatte ihr Ton ebenso missfallen wie Isak. Sie bewegte sich auf dünnem Eis, denn über Isak zu sprechen, während dieser abwesend war, stellte eine Unhöflichkeit dar, die nur wenige Adlige wagen würden. Isak wusste, dass die Bräuche der Adligen für ihn noch immer größtenteils im Dunkeln lagen, aber mittlerweile erkannte er die Art, wie jemand von edler Herkunft eine gänzlich gegensätzliche Bitte vorbrachte.
»Und Ihr habt ihm davon nicht abgeraten?«
»Abgeraten? Der Verräter soll hängen, das ist meine Meinung.«
Isak vermochte nicht zu entscheiden, ob die Gräfin nur dumm und unverschämt war, oder ob sie eine Aussage zu machen versuchte, die Vesna ihm später unter vier Augen erklären würde.
»Aber ist das auf
Weitere Kostenlose Bücher