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Sturmbote

Sturmbote

Titel: Sturmbote Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Lloyd
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Unterkunft hatte nicht viel dazu getan, ihn wieder einigermaßen vorzeigbar zu machen. Er konnte sich eigentlich kein Zimmer leisten, aber sonst hätte er in den Kasernen unterkommen müssen, und das erschien ihm auch nicht klug.
    Er folgte den Anweisungen des Dieners und fand sich vor einer unauffälligen Tür wieder. Er kannte sich gut genug aus, um zu wissen, dass man ihn zur Rückseite des Turms von Semar geschickt
hatte, dem abgelegensten Teil des Palastes. Es schien, als wolle man ihn möglichst aus dem Weg haben, bis Schwertmeister Kerin ihn zu sich rief. Nachdem ihn in der Großen Halle nur finstere Gesichter begrüßten, konnte er das nachvollziehen.
    Jachen seufzte. »Was soll ich hier?«, fragte er sich laut. »Hat Kerin einen neuen Weg gefunden, mich zu strafen?«
    Einstmals war er Kerin vielversprechend erschienen. Der Schwertmeister persönlich hatte seine Beförderung vorgeschlagen. Jachen selbst war sich seiner nie so sicher gewesen.
    Er öffnete die Tür und trat ein, roch Staub und Poliermittel, altes Holz und Lampenöl sowie den leichten Muff eines Zimmers, das regelmäßig gelüftet wurde, in dem aber niemand wohnte. Es erinnerte ihn an den Tempel des Amavoq, den er besucht hatte, um im Gebet seine Entscheidungen zu bedenken, bevor er zu den Waldläufern versetzt wurde. Tatsächlich hatte er keine große Wahl gehabt, wenn man ehrlich war. Aber Jachen war nie jemand gewesen, der den einfacheren Weg wählte. Seine Sturheit und Dummheit kamen ihm meist dazwischen.
    Hinter sich schloss er die Tür. Zwischen den geschlossenen Läden einer Schießscharte, die hoch in der Wand lag, fiel ein einzelner Lichtbalken hindurch und beleuchtete in der Mitte des Raumes Mahagonistühle mit hoher Lehne, die so dunkel waren, dass sie auch in Tods Tempel gepasst hätten. Rechts und links an den Wänden standen ebensolche. An der Wand vor ihm befand sich ein wuchtiger Eichentisch, unter dessen mit Schnitzereien verzierter Platte sich das Holz zu Füßen wölbte, die wie Wurzeln wirkten. So wurde der Eindruck erzeugt, der Tisch sei aus einem großen Baum geschlagen. Der Stil war altertümlich verspielt und damit zu aufwändig für den Geschmack seiner Zeit. Das war wohl auch der Grund, warum man den Tisch hierhergestellt hatte, wo ihn nur die bewundern konnten, die man aus dem Weg haben wollte.

    Als sich seine Augen an das schwache Licht gewöhnten, erschrak Jachen. Über die Lehnen der Stühle in der Mitte hinweg konnte er erkennen, dass er nicht allein war. Eine stämmige Gestalt hockte am Boden, von einem dunklen Umhang verborgen, der bis zum Boden fiel.
    »Verzeiht mir«, sagte Jachen. »Ich habe nicht bemerkt, dass noch jemand hier ist.«
    Der Mann gab nicht zu erkennen, ob er ihn gehört hatte. Er hockte zwischen dem Tisch und den Stühlen, den Kopf vornübergebeugt. Sein Haar war gerade lang genug, um auf dem Kopf zu einem Zopf gebunden werden zu können. Ein Soldat also, dachte Jachen, und der Größe nach zu urteilen ein Weißauge, vielleicht aus der Garde.
    »Man befahl mir, hier zu warten. Ich werde Euch nicht stören, bei dem, was Ihr tut … äh, was tut Ihr denn?«
    »Verstecken spielen natürlich.« Die Stimme war ein dunkles Grollen, das auf einen gewaltigen Brustkorb hinwies.
    Der Oberst leckte sich über die Lippen und zupfte erneut an seiner Uniform, bevor er fragte: »Verstecken?«
    »Verstecken«, bestätigte die Gestalt, den Kopf noch immer wie zum Gebet gesenkt. »Wieso?«
    »Ich … nichts. Es erscheint mir nur etwas ungewöhnlich. Ich habe nicht erwartet, dass Ihr das sagen würdet.«
    »Viele meiner Handlungen laufen der allgemeinen Erwartung zuwider.«
    »Wer seid Ihr?«
    »Wer zur Hölle seid Ihr?«
    Jachen biss sich auf die Zunge, um die Antwort zu ersticken, die er zuerst geben wollte. Halt einfach die Klappe . Wenn Kerin ihm eine zweite Chance geben wollte, sollte er dies nicht durch einen Kampf versauen, noch bevor er das Arbeitszimmer des Mannes betrat.

    »Mein Name ist Jachen Ansayl«, antwortete er und fügte verteidigend hinzu: »Oberst Jachen Ansayl.«
    »Ansayl, hm? Bist ein Bastard, oder?«
    »Und das von einem Weißauge.« Verdammt . Der Name Ansayl wies ihn als Bastard (oder den Enkel eines Bastards, in Jachens Fall) aus dem Lordprotektorat Sayl im Norden Tirahs aus. Er hatte sich an die Spötteleien gewöhnt und gelernt, dass man ihnen besser mit einem Scherz als mit Groll begegnete. Beides war in diesem Fall aber keine gute Idee.
    Das Weißauge stieß ein kehliges Kichern

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