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Sturmbote

Sturmbote

Titel: Sturmbote Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Lloyd
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hinwegsehen.
    »Vesna, du wirst eine Division Reiterei nach Tor Milist führen. Vrerrs Truppen sollen keine Pferde oder Waffen erhalten, aber ich will, dass du Lefernas Stellung dort schwächst. Behandle das Ganze, als führtest du eine Söldnereinheit.
    »Alles, was aus dem verlängerten Krieg erwächst, ist, so leid es mir tut, nicht unser Problem. Es ist ein Mittel zum Zweck und
das daraus entstehende Leid ist notwendig. Eine offene, umfassende Einmischung in den Krieg würde in einer Marionettenregierung Tor Milists unter meiner Führung enden. Und die Geschichte zeigt, dass sich alle früheren Versuche dieser Art schließlich als schlechte Ideen erwiesen haben.«
    »Das wird kaum ein Trost für diejenigen sein, die fallen«, sagte Lordprotektor Foleh. Es lag kein Vorwurf in seiner Stimme. Er wusste nur, wie die Dinge lagen.
    »Nein, nicht der geringste Trost, aber es wird auch keine Dankbarkeit geben, wenn die Geister durch die Aldermark marschieren. Wir können ihre Probleme nicht für sie lösen. Sobald wir uns der Gefahr durch den Weißen Zirkel entledigt haben, werden wir die Lage neu bewerten. Aber wir müssen einen Weg finden, einen unglücklichen Frieden nicht in einen schrecklichen Bürgerkrieg zu verwandeln.«
    So spricht ein wahrer König , erklang mit einem Mal eine Stimme in Isaks Kopf. Das Weißauge verstummte. Der Geist des Toten sprach so klar wie nie zuvor. Das übliche Echo des Selbstmitleides und des überwältigenden Verlustes fehlte, als Aryn Bwr nun sagte: Mitleid und Skrupel haben in den Taten eines Königs keinen Platz.
    Das sagt derjenige, der sich gegen die eigenen Götter erhob? , dachte Isak wütend. Gut, dann berate mich .
    Du bist ein schlechtes Abbild von jemandem, der uns nie ebenbürtig war , fauchte der letzte König. Du bettelst um meinen Ratschlag? Nun gut: Reue ist etwas für Narren. Ein König erlangt nur Größe, indem er handelt. Die Furcht vor dem Handeln ist Feigheit – und dafür wird man dich in den kommenden Tagen verachten.
    Die Wut in Aryn Bwrs Stimme war offenbar. Isak wandte sich abrupt vom Geländer ab und ging auf die Treppe zu. Mit einem Mal fühlte er sich in dem kleinen Raum über der Halle gefangen und beengt.

    Ich habe nie darum gebeten, solche Entscheidungen zu treffen , dachte er traurig. Mit einer einzigen unbedacht gefällten Entscheidung verdamme ich Tausende zum Tode. Das ist kein Leben für mich.
    Aber, aber, spottete die tote Seele, ein Weißauge giert doch nach Macht, oder etwa nicht? Das Feuer der Magie in deinen Adern; die Wut des Sturms in deinen schneeweißen Händen; all das wurde dir aus gutem Grund gegeben.
    Isak blickte auf seine Hand hinab. Seine Taten in Narkang hatten ihn für den Rest des Lebens gezeichnet. Er hatte die Macht seines Gottes dazu benutzt, Hunderte Fysthrall-Soldaten und Söldner zu töten, als sie den Wall von König Emins Palast durchbrachen. Aber die Verwandlung reichte nicht über seine Haut hinaus.
    »So wurde ich geboren, aber so muss ich nicht bleiben«, murmelte er vor sich hin.
    Du verleugnest deine eigene Natur? Vorzugeben, du seiest etwas, das du nicht bist, wird dich in deinen Niedergang führen. Ich habe es hundertmal mitangesehen. Die Entscheidungen, die du treffen musst, werden dich aushöhlen, bis du so leer bist, wie du zu werden fürchtest.
    »Wenigstens wäre das meine eigene Wahl«, sagte Isak. »Ich hätte selbst gewählt, wer ich bin. Was kann man mehr verlangen?«
    Zum König wird man durch schwere Entscheidungen.
    »Zum Mann wird man durch schwere Entscheidungen. Das reicht mir.«

12

    Oberst Jachen Ansayl ging mit so viel Würde, wie er nur zustandebrachte, den Gang entlang und unterdrückte das Verlangen, den steifen Kragen seiner Gardeuniform zu lockern. Die alte Uniform passte ihm noch, aber er hatte sie jahrelang nicht mehr getragen und bequem war sie überhaupt noch nie gewesen. Heute schien sie bei jeder Bewegung zu kratzen, als würde sie ihm die nötige Würde absprechen, um von ihm getragen zu werden. Die Wappenknöpfe hatten seine Finger zerschnitten und der Kragen drückte ihm so die Kehle zu, dass er keine Luft mehr bekam, wenn er nicht völlig aufrecht stand.
    Er hätte sie nicht anziehen sollen – die Hälfte der Männer hier würde sie als Beleidigung auffassen. Aber er besaß keine andere. Fünf Jahre im Exil auf einem Berg verbesserten die Garderobe eines Mannes nicht eben. Jachen fuhr sich durch das nussbraune Haar und zerrte an den Knoten. Die billige Seife in seiner

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