Sturmbote
Knopf an seiner Manschette. Sein Herz stockte, als der Blick ihrer sanften braunen Augen den seinen traf und krampfte sich dann bei ihren frostigen Worten zusammen. »Euer Ruf eilt Euch voraus.« Sie versuchte gar nicht erst, den Tadel in ihrer Stimme zu verhehlen, und wandte sich ruckartig Lord Isak zu: »Ich glaube nicht, dass die Männer ihn akzeptieren werden.«
»Das ist sein Problem«, antwortete er. »Wenn er sie nicht führen kann, nützt er mir nichts. Er berichtete mir davon, dass er seine Männer im Stich gelassen hat, aber ich denke, er hat eine zweite Chance verdient.«
»Hat er Euch alles berichtet? Dass er einige Jahre lang Söldner war, der für Herzog Vrerr und andere Verbrecher gearbeitet hat? Dass er einmal die Besatzung einer ganzen Garnison abgeschlachtet hat, nachdem sie sich schon ergeben hatte …«
»Halt!«, unterbrach sie Jachen, nachdem er seine Stimme wiedergefunden hatte. »Das ist eine Lüge. Wir haben sie ausgelöscht,
ja, aber niemand in der Garnison hat jemals um Gnade gebeten. Wenn sie bis zum Letzten kämpfen, kann man keine Gefangenen nehmen.«
Tila zuckte mit den Schultern. »In den Kasernen zählt die Wahrheit nicht. Wie Ihr sagtet, mein Lord, das ist sein Problem. Die Synode erwartet Euch.«
Lord Isak seufzte gereizt und bedeutete Tila voranzugehen. Jachen lief ihnen wie ein verirrtes Kind nach. Alle paar Schritt hielten Leute sie auf, die Isak grüßten, die meisten formell, einige aber auch freundlich. An einer Ecke stürzte sich eine ganze Horde Diener auf ihn, die ihm mitteilten, dass Haushofmeister Lesarl ihn suchte. Niemand beachtete Jachen, er verschwand im Schatten seines neuen Herrn. Das war ihm sehr recht. Von dort aus konnte er das Land im Auge behalten, während Isak hindurchschritt und auf jeden einen Einfluss hatte. Aber wenn das stimmt, in was bin ich da nun wieder hineingeraten? Du bist ein verdammter Narr, Jachen , dachte er. Finde beim nächsten Mal zuerst heraus, was mit deinem Vorgänger geschehen ist, bevor du einen Posten annimmst.
Der Haushofmeister erreichte sie wenige Augenblicke nach seinen Dienern. Seine formelle Kleidung wies darauf hin, dass Lesarl an diesem Morgen wichtige Gespräche hatte, auch wenn ihn trotzdem der Eindruck leichter Verwirrung und Unordnung umgab.
Er warf Jachen nur einen scharfen Blick zu – der bei seinem Ruf nicht überraschend war –, sagte aber nichts, sondern führte Isak in ein kleines Arbeitszimmer. Jachen, der keine anderen Befehle hatte, folgte ihm. Während er das Gespräch der beiden Männer beobachtete, fragte er sich, ob an den Gerüchten über ihre gegenseitige Abneigung etwas dran war. Auf ihn wirkte es nicht so. Lesarl war ein Mann von kratzbürstiger, schroffer Art, soweit Jachen wusste, aber das Verhalten des Haushofmeisters
schien ausreichend unterwürfig. Es war allgemein bekannt, dass Lesarl einige der Lordprotektoren mit offener Verachtung strafte, aber hier trieben die Gerüchte wohl etwas zu wilde Blüten. Er konnte sie bei dem, was er sah, nicht als wahr erachten.
»Da Ihr die Adligen nach Tirah befehlt«, sagte Lesarl, der so nah bei dem Weißauge stand, als sei er ein langjähriger Vertrauter, »habe ich die Krönungszeremonie in zwei Monaten angesetzt. Es ist ein so seltenes Ereignis, dass wir es zu bestem Nutzen bringen sollten, indem wir alle Lordprotektoren hier versammeln. Nachdem die Synode Euch bestätigt hat, müsst Ihr einige Leute treffen.« Lesarl nickte in Jachens Richtung. »Ihr solltet überlegen, ob man ihn zu allen mitnehmen sollte. Ihr vertraut ihm nicht so wie Carel.«
»Wie es scheint, bin ich der Einzige, der nicht wusste, dass er ein Anwärter für den Posten war«, sagte Lord Isak spitz. »Vielleicht sollte ich Euch fragen, ob ich ihm trauen kann.«
»Mein Lord, natürlich hat Kerin um meine Meinung ersucht und ich habe keine Einwände – sonst hätte der Schwertmeister ihn Euch nicht vorgestellt. Ich misstraue Leuten, die nach Macht streben, stets. Da ist es viel besser, einen unbekannten Mann zu finden, der Euch nützlich erscheint.« Er bedachte Jachen mit einem kühlen Lächeln. »Es wird auch leichter fallen, ihn zu töten, wenn er der Aufgabe nicht gewachsen ist.«
Isak schnaubte. »Geben wir ihm erstmal eine oder zwei Wochen. Was hat es mit diesen anderen Treffen auf sich?«
»Finanzminister, der Stadtrat, die ehrenwerte Gilde der Händler und dann später in der Nacht mein Gefolge.«
»Gefolge?«, fragte Isak.
Lesarl warf Jachen einen warnenden Blick
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