Sturmbringerin
zu, da ich mich nicht traute zu sprechen. Ich befürchtete, einer der Soldaten könnte mich doch hören und nähme mir das Essen dann weg.
Orena schnappte sich den Eimer und das zerrissene Hemd. Dann kehrten mir beide den Rücken zu und machten sich auf den Weg.
Mairis setzte sich für ihre Wache auf einen der Stühle an der Wand, während Orena das Zimmer verlassen wollte. Sie hatte noch einen kurzen Wortwechsel mit einem der Männer, dann ging sie hinaus.
Aufgeregt wartete ich ab. Alles war ruhig und niemand machte Anstalten, sich mir zu nähern. Langsam tastete ich unter meiner Decke entlang. Schließlich fand ich Mairis‘ Mitbringsel, griff es mir und wälzte mich auf die andere Seite. Jetzt hatte ich die nahegelegene Wand im Blick und niemand würde sehen können, was ich hier trieb.
Vorsichtig zog ich meine Hände unter der Decke hervor, um sicherzugehen, dass ich es richtig ertastet hatte. Tatsächlich hatte ich mich nicht geirrt. In meiner Linken hielt ich einen trockenen Brotkanten und in der Rechten einen großen Apfel.
Eilig machte ich mich über mein unverhofftes Abendessen her. Es war schon so lange her, dass ich etwas gegessen, und im Magen behalten, hatte, dass es mir nicht schwerfiel auch das Kerngehäuse des Apfels zu essen.
Alle Beweise waren vernichtet, als ich den letzten Bissen vom Brot herunterschluckte. Die Krümel wischte ich unauffällig auf den Boden. Jetzt käme niemand mehr auf die Idee, dass ich Essen bekommen hatte.
Ich fühlte mich etwas besser als vorhin, als ich zum ersten Mal an diesem Abend unter meiner Decke lag. Mit dem Kopf voller Fragen fiel ich in einen unruhigen Schlaf.
Verschwiegen
Es war einfach zum Verrücktwerden! Kräftig trat sie gegen einen Hocker, der ihr im Weg stand, um ihrem Zorn ein wenig Luft zu machen. Seit man Ayasha in diesem Zimmer eingesperrt hatte, wurde nicht ein einziges Wort mit ihr gesprochen.
Mürrisch setzte sie ihre rastlose Reise fort, auch wenn ihr nun der Fuß schmerzte. Wieder blieb sie an dem vergitterten Fenster stehen und sah hinaus. Das tat sie immer, wenn sie hier vorbeikam.
Nichts hatte sich geändert. Sie befand sich nach wie vor viel zu weit oben, als dass eine Flucht durch das Fenster infrage gekommen wäre. Es lohnte nicht, sich an dem massiven Gitter zu schaffen zu machen. Das Zimmer musste sich im vierten, vielleicht sogar fünften, Stock dieses gebauten Monstrums befinden.
Niemals käme sie auf diese Weise hinaus.
Bis zum Horizont erstreckten sich die Wälder. Nur wenige lichte Stellen gab es. Dieser Wald musste sehr alt sein, so großflächig und dicht wie er war. Genaugenommen konnte Ayasha gar nicht bis zum Horizont sehen, das gewaltige Gebirge, an das der Wald grenzte, versperrte ihr die Sicht.
Die Gipfel wurden heute von Wolken verschluckt. Doch gestern war das Wetter klar gewesen und Ayasha hatte die massive Bergkette lange betrachtet. Schließlich hatte sie nichts Besseres zu tun und sie sah das erste Mal in ihrem Leben solch gewaltige Berge.
Ayasha schaute der Sonne bei ihrem Aufgang zu bis es zu hell wurde und sie es nicht mehr aushielt, direkt hineinzusehen. Es war der Morgen des dritten Tages.
Ob es heute anders wäre?
Bald müsste die Magd mit dem kargen Frühstück zu ihr kommen. Vielleicht konnte Ayasha sie heute zum Sprechen bringen.
Wie erwartet dauerte es nicht lange bis der Schlüssel ins Schloss gesteckt wurde und jemand die Tür aufstieß. Ayasha drehte sich herum.
»Guten Morgen«, sagte sie zu dem Mädchen, dass ihr an den letzten beiden Tagen das Essen gebracht hatte.
Sie antwortete auch heute nicht. Stattdessen zuckte sie beim Klang von Ayashas Stimme leicht zusammen.
„Wie heißt du eigentlich?“, fragte Ayasha weiter.
Das Mädchen stellte das Tablett auf den Beistelltisch an der Tür. Jetzt machte sie sich daran, das Geschirr des vergangenen Abends einzusammeln.
»Findest du nicht auch, dass du unhöflich bist?« Noch gab Ayasha nicht auf. Irgendwann würde sie schon mit ihr sprechen.
Jetzt suchte die Magd den Nachttopf, um auch diesen zu wechseln. Sie sah Ayasha nicht an, sondern richtete den Blick auf den Boden.
Ayasha stand am Fenster und sah ihr zu. Ob sie stumm war? Das konnte Ayasha nicht glauben. Schließlich sprachen die beiden Soldaten, die jedes Mal die Tür verbarrikadierten, auch kein Wort mit ihr.
Man musste ihnen befohlen haben zu schweigen. Ayasha musterte die beiden Männer an der Tür. Nicht einmal an ihnen vorbei oder über sie drüber weg konnte
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