Sturmbringerin
können. Zwei Stufen auf einmal nehmend eilte Zersia die Stufen hinauf und stand im schmalen Flur. Ohne Fenster war es hier noch dunkler als in den Räumen unten, aber das machte nichts, Zersia wusste genau, wohin sie wollte und lief zum Zimmer ihres Bruders. Auf halbem Weg rutschte sie aus und fiel zu Boden, wobei sie sich schmerzhaft das Knie stieß.
Verwundert tastete sie über die Dielen und suchte nach dem Grund für ihren Sturz. Sie erfühlte eine klebrige Pfütze nicht weit von ihren Füßen entfernt und es gelang ihr nicht länger, die Tränen zurückzuhalten. Sie musste es nicht sehen, um zu wissen, dass es eine große Lache halb geronnenen Bluts war. Seine Konsistenz sagte ihr, dass es schon vor vielen Stunden vergossen worden war.
Zersia rappelte sich schluchzend hoch, sie musste sich beeilen und Jira finden, selbst wenn das sein Blut war, hätten sie ihn niemals getötet. An dieser Hoffnung klammerte sie sich fest und sie half ihr weiterzugehen. Sie erreichte Jiras Zimmer. Alles war unverändert, so als wäre niemand hier gewesen. Trotzdem sah Zersia unter dem Bett und in den Schränken nach, aber hier war niemand. Demnach hatten die Turonter ihn tatsächlich mitgenommen.
Zersia stürmte zur Tür gegenüber in ihr eigenes Zimmer, auch hier schien niemand gewesen zu sein. Sie ging zu ihrem Kleiderschrank, sie brauchte dringend einige Sachen, bevor sie ihnen hinterher konnte. Achtlos stopfte sie ein Kleid zum Wechseln in ihren Rucksack, sowie andere Dinge, die ihr persönlich am Herzen lagen. Anschließend ging sie noch einmal in Jiras Zimmer und nahm das mit, von dem sie wusste, dass ihr Bruder es nicht würde missen wollen. Wer wusste schon, wann sie wieder hierher kommen konnten, geschweige denn, ob das jemals wieder möglich wäre, nun da man sie entdeckt hatte.
Wieder im Flur ging Zersia langsam an der Wand entlang, um nicht erneut auszurutschen. Unten angekommen, lief sie in die Küche und hoffte, dort auf noch brauchbare Vorräte zu stoßen. Sie hatte Glück und fand genug Essen, um die nächsten Tage nicht hungern zu müssen. Es war nicht viel, das nicht am Boden zertreten lag, aber erst einmal musste es reichen. Jetzt fehlte ihr nur noch Geld, also suchte sie im Boden nach dem richtigen Brett, unter dem es versteckt war.
Es war nicht leicht, da die Sonne mittlerweile ganz untergegangen war und durch die anhaltenden Regenwolken sämtliches Sternenlicht verborgen blieb. Außerdem musste sie sich durch die am Boden verstreuten Dinge tasten. Endlich fand sie das Brett, hebelte es hoch und nahm alles heraus, was sich in dem Fach darunter befand. Viel war es nicht, aber immer noch besser, als mit leeren Taschen aufzubrechen. Als erstes würde Zersia zu Emilia ins Dorf gehen, vielleicht wusste ihre Freundin, in welche Richtung man Jira verschleppt hatte.
Zersia lief den ganzen Weg ins Dorf und hielt erst an, als sie keuchend vor Emilias Tür stand. Kräftig schlug sie mit den Fäusten gegen das Holz. „Emilia, bist du da?“, rief Zersia zwischen ihrem Klopfen.
Langsam öffnete sich die Tür. Emilias Mutter stand in der Tür und sah Zersia bekümmert an. Verängstigt sah sie sich auf der Straße um, ihre Frisur war nicht so ordentlich gesteckt wie sonst und schwarze Locken kringelten sich durch die Feuchtigkeit aus ihrem strengen Dutt.
»Bitte geh wieder«, sagte sie leise.
Ihre Worte verschlugen Zersia die Sprache. Sie wusste, dass Emilias Familie nicht glücklich war, dass sie mit Zersia befreundet war, aber dass sie Emilia in dieser Situation nicht einmal sehen durfte, war mehr als Zersia ertrug und sie rang erneut mit den Tränen.
»Sagt mir bitte wenigstens in welche Richtung sie geritten sind, dann gehe ich und werde Euch nicht mehr belästigen«, flehte Zersia mit tränenerstickter Stimme.
»Sie ritten nach Norden. Jetzt geh!«, forderte Emilias Mutter und drückte die Tür wieder ins Schloss. Drinnen wurden Stimmen laut, aber Zersia machte sich nicht die Hoffnung, dass sich die Tür wieder öffnen würde. Sie machte auf dem Absatz kehrt und eilte die Straße entlang, an der sich die wenigen Häuser des Dorfes reihten. Gerade kam sie an den letzten vorbei, als jemand nach ihr rief.
»Warte, Zersia!«, rief Emilia hinter ihr.
Zersia blieb stehen und drehte sich um. Emilia war noch ein Stück weit entfernt, jedoch konnte Zersia schon von hier aus sehen, dass ihre Freundin weder Schuhe, noch ihren Umhang trug. Sie war schon jetzt völlig durchnässt. Abwesend strich Emilia die nassen
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