Sturmbringerin
Kehle immer fester zuschnürte, quetschte Zersia die nächsten Worte entschlossen hervor.
»Hat er noch gelebt?«
»Sonst hätten sie ihn nicht mitgenommen, sondern einfach im Dreck liegen lassen«, schnaubte der Soldat.
»Haben sie gesagt, wohin sie unterwegs waren?«
»Sie wollten in Loran Halt machen.«
»Und dann?«
»Das weiß ich nicht, wahrscheinlich weiter nach Norden.«
Zersia versuchte sich zu beruhigen, die Nachrichten hätten schlechter sein können. Jira lebte, das war alles, was zählte. Nur hatten sie mittlerweile einige Tage Vorsprung und Zersia war jetzt schon am Ende ihrer Kräfte. Es half nichts, sie musste schleunigst nach Loran. Auch wenn es eine schrecklich große Stadt war und ihr die Vorstellung gar nicht gefiel.
»Danke, das war alles«, murmelte Zersia, ihre Gedanken waren längst abgeschweift und schmiedeten Pläne.
Gerade wollte sie den Mann betäuben und ihn für die nächsten Tage in seinen Träumen gefangen halten, als dieser sich abrupt umdrehte und sich auf sie warf. Zersia ging zu Boden und der plötzliche Aufprall presste ihr die Luft aus der Lunge. Der Soldat hielt sie brutal nieder.
»Und nun will ich dir ein paar Fragen stellen«, sagte er selbstgefällig, kam jedoch nicht weiter.
Er umklammerte ihre Arme fester, mit nackten Händen. So ein Narr. Es war sein Todesurteil, nur wurde es ihm erst jetzt bewusst, als er panisch nach Luft japste und seine Hand von Zersia abließ, um sich in seine Brust zu krallen.
Nun ergriff Zersia ihrerseits seinen Arm, um die Verbindung nicht zu trennen. Sein Lebensfunke verließ ihn und er sackte leblos zusammen. Zersia rollte sich zur Seite, bevor er auf sie fallen konnte und zog ihre Beine unter seinem leblosen Körper hervor. Schließlich von ihm befreit, raffte sie sich auf und schlich aus dem Lager davon. Sie hatte keine Zeit für eine Pause, in der sie sich hätte sammeln können. Schon gar nicht so nah bei ihren Feinden und erst recht nicht mit dem Wissen, dass sie mehrere Tage aufholen musste.
Sie musste weiter. Nach Loran.
Vier Tage waren es nun schon, die sie, nur von kurzen Verschnaufpausen unterbrochen, nach Norden lief. Viel länger könnte sie ihren Körper mittels Magie nicht mehr über die Erschöpfung hinwegtäuschen, wenn die Nutzung ihrer Gabe immer mehr an ihr zehrte.
So lange hatte sie sich noch nie wachgehalten. Schon gar nicht nachdem sie eine anstrengende Heilung hinter sich hatte. Nicht mehr lange und sie würde einfach umfallen.
Ein dicker Regentropfen fiel Zersia mittig auf den Scheitel und sie zuckte überrascht zusammen. Missmutig zog sie sich die Kapuze ihres Umhangs über den Kopf und stapfte unbeirrt weiter.
Beim Gehen besah sie sich den Himmel, der sich immer düsterer zuzog. Kam das Gewitter also doch noch, wie befürchtet.
Zersia seufzte schwer. So viel Regen bedeutete matschige Straßen und nasse Füße. Als hätte sie davon in den vergangenen Tagen nicht schon mehr als genug gehabt. Vor ihr gabelte sich die Straße ein weiteres Mal und führte auf groben Steinquadern nach Westen. Unter ihrer Kapuze hervor spähend, überquerte Zersia schnell den Abzweig, um nicht überfahren zu werden und behielt ihre bisherige Richtung bei.
Bald käme sie an einer Schenke vorbei. Ob sie dort eine kurze Rast machen und vielleicht etwas Warmes essen sollte?
Ungern wollte sie Geld ausgeben, wo sie es für eventuelle Bestechungen sparen wollte, aber allmählich gingen ihre Vorräte zur Neige und der Hunger wurde immer schlimmer.
Eine kurze Rast im Trocknen mit einer heißen Suppe konnte nicht schaden. Wenn sie vor Erschöpfung zusammenbrach und hier liegen blieb, würde niemand Jira retten. Also musste sie bei Kräften bleiben, auch wenn sie sich diesen Umstand nur widerwillig eingestand. Der Gedanke sich an ein Feuer zu setzen und zu essen, fühlte sich falsch an, wenn Jira Angst und vermutlich sogar Schmerzen litt.
Nur eine Schale Suppe, dann würde sie gleich wieder aufbrechen und weiter nach Loran gehen. Die Stadt war noch über drei Tagesmärsche von ihr entfernt und Zersia wollte sie nicht später erreichen als unbedingt notwendig.
Das Unwetter über ihr wurde heftiger. In der Ferne hörte sie Donnergrollen und die ersten Blitze entluden sich am Himmel. Hoffentlich kam die Schenke bald. Unter normalen Umständen hätte sie keinen Fuß in diese Kaschemme gesetzt, aber was war dieser Tage schon noch normal?
Hauptsächlich traf man dort auf Wilderer, Diebe und ähnlich vertrauenserweckende Gestalten,
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