Sturmfahrt der Liebe: Er war der König der Meere - und sie die Herrscherin seines Herzens (German Edition)
genau, dass er kommen würde, um Anna aufzuhalten, während er an sie wohl kaum einen Gedanken verschwenden dürfte. Falls er Anna bereits gefunden hatte, würde er mit ihr zum Schiff zurückkehren und davonsegeln.
»Bitte, beeilen Sie sich!«, flüsterte sie.
»Ah.« Der achte Schlüssel passte. Er klappte die Handschelle auf, ließ sie auf den Boden fallen und rieb sich das Handgelenk. »Nun, meine Retterin, wohin gehen wir?«
»Sie wird jeden Moment den Hof sprengen. Gibt es noch einen anderen Ausgang?«
»Kommen Sie mit.«
Er richtete sich auf und nahm ihre Hand. Seine war ganz ruhig, während Evangelines heftig zitterte. Eigentlich hätte sie gedacht, dass er die Goldmünzen nehmen würde, wie es einem Piraten ähnlich sähe, aber er ignorierte das Geld und eilte zur Tür.
Von dort führte er Evangeline nicht zum Eingang zurück, sondern weiter durch den engen Gang. Der Korridor wurde leicht abschüssig, als verliefe er am hinteren Ende unterirdisch. Lose Steine lagen auf dem Boden, über die Evangeline mehrmals stolperte, so dass sie sich an dem Mann festhalten musste, um nicht zu fallen. Das Licht hinter ihnen wurde zusehends schwächer, bis sie schließlich durch vollkommene Dunkelheit liefen.
Nach einiger Zeit blieb er stehen. »Hier.«
Evangeline streckte vorsichtig die freie Hand aus, und statt einer Mauer berührte sie kalte Eisenstäbe.
Erst als sie ein Klimpern hörte, wurde ihr klar, dass er den Schlüsselring mitgenommen hatte. Wieder einmal begann der mühsame Prozess, den richtigen Schlüssel für das Schloss zu finden.
Hinter ihnen gab es einen lauten Knall, und der Gang füllte sich mit Staub. Steinbröckchen flogen auf sie zu. Evangeline stieß einen leisen Schrei aus und hielt sich einen Arm vors Gesicht.
Der Pirat berührte sie sachte. »Ist Ihnen etwas passiert?«
Hustend strich sie sich die Gesteinskrümel aus dem Haar. »Ich muss sagen, Ihre Miss Adams ist eine ziemlich dumme Frau. Sie hätte Sie umbringen können!«
Er antwortete nicht. Seine Hand verschwand wieder, und erneut hob das Schlüsselgeklimper an.
Als Evangeline gerade dachte, dass sich der Schlüssel für dieses Tor wohl an einem anderen Ring befinden musste, quietschten die Angeln. »Hier raus!«, forderte der Mann sie munter auf.
Er brachte sie in einen Tunnel, der kaum beruhigender anmutete als der vorherige Korridor. Nach einiger Zeit wurde der knirschende Schutt unter ihren Füßen von Fels abgelöst, und der Gang führte wieder nach oben. Gleichzeitig wurde der Meerwassergeruch intensiver.
Ein winziges Licht tauchte vor ihnen auf. Evangeline schloss kurz die Augen, da sie selbst das bisschen Helligkeit blendete, nachdem sie eine halbe Ewigkeit durch tiefste Finsternis gelaufen war. Eine Tür, dachte sie erleichtert. Oder ein Fenster?
Sie eilten auf das Licht zu. Der Pirat schien genau zu wissen, wo er hinwollte. Der helle Fleck wurde größer und rechteckig. Warme tropische Seeluft wehte ihnen entgegen.
Leider entpuppte sich die Tür oder das Fenster, auf das sie gehofft hatte, als ein Gitter in der Decke – das verschlossen war.
»Klettern Sie auf meine Schultern, meine Retterin!« Der Pirat legte die Hände an ihre Taille. »Ich reiche Ihnen die Schlüssel hinauf.«
»Nein. Warten Sie …«
Ihr stockte der Atem, als seine Hände über ihre Schenkel glitten, sein Kopf zwischen ihre Beine, und er sie auf seinen breiten Schultern nach oben hob.
Er schob sich ihren Rock aus dem Gesicht und lachte leise. »Ich werde niemandem erzählen, dass ich hier war. Haben Sie einen Bruder, meine Teure?«
»Einen Stiefbruder, aber Captain Blackwell hat ihn wegen Meuterei eingesperrt.«
Er zuckte kaum merklich zusammen, ehe er wieder lachte. »Sind Sie auch eine Meuterin?«
»Fast. Aber ich konnte verhindern, dass Anna den Captain erschießt, deshalb erlaubte er mir, in meiner Kabine zu bleiben, statt mich in die Brigg zu werfen.«
»Aha.«
Der kalte Schlüsselring berührte ihre Finger. Sie ertastete einen der Schlüssel und führte ihn zu dem Schloss über sich. Er ließ sich nicht drehen. »Verflixt! Ich wünschte, die Wachen wären so freundlich gewesen, zu erklären, welcher wofür ist!«
»Ja, sie sollten überhaupt Ausbrüche etwas bequemer machen. Hatte ich Ihnen schon gesagt, wie dankbar ich bin, dass Sie vorbeischauten?«
Er sprach wie ein Gentleman, so städtisch und ruhig, als plauderten sie in einem Geschäft oder vor der Kirche.
»Danken Sie mir nicht, Sir. Danken Sie Ihrer Anna. Ich wäre
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