Sturmfahrt der Liebe: Er war der König der Meere - und sie die Herrscherin seines Herzens (German Edition)
Nähe.«
»Das würde ich nicht sagen, Ma’am«, raunte der ältere Matrose, ruderte aber weiter.
Langsam veränderten die amerikanischen Schiffe ihre Position, so dass das Boot bald hinter ihnen war. Nun blockierten die großen Schiffe die Sicht auf die Fregatte, und die Lichter sowie das beängstigende Funkeln der wartenden Kanonen verschwanden. Die Aurora indessen begann, aufs Ufer zuzuhalten.
»Er muss genau wie wir an Land rudern«, sagte Anna gereizt. »Und er kann unmöglich vor uns dort sein. Rudert, verdammt noch mal!«
Das Boot glitt wippend durch die Wellen. Allmählich wurde die Luft wärmer, und die Gerüche nach Feuer, Schlamm und Menschen waren ausgeprägter. Die Aurora näherte sich lautlos dem Hafen.
Das Ufer zeichnete sich immer deutlicher ab. Vor ihnen erstreckte sich der Strand, und die helle Gischt glitzerte unter dem dunklen Himmel. Die Matrosen ruderten zu einer kleinen Bucht, auf die der jüngere vorher gewiesen hatte. Das kleine Boot hüpfte auf den Wellen und schlug mit solcher Wucht in die Täler, dass Evangeline mehrmals glaubte, nun wären sie gekentert.
Schließlich erreichten sie flacheres Wasser, wo die beiden Männer aus dem Boot sprangen und es auf den Sand zogen. Anna stand auf und blickte sich um. Evangeline betrachtete ihr strenges, kaltes Gesicht und wunderte sich, dass Männer sie wunderschön fanden.
»Der englische Captain geht an Land«, berichtete Lornham. »Er versucht, uns zu entwischen. Schon vor einer Weile habe ich ein einzelnes Boot hinüberrudern gesehen, und jetzt lässt er noch mehr zu Wasser.«
»Soll ich Befehl zum Feuern geben, Sir?«, fragte Osborn.
Austin wandte sich von der Reling ab. »Miss Clemens ist auf dem Schiff. Ich will nur Warnschüsse. Signalisieren Sie dem englischen Captain, dass ich mit ihm sprechen möchte.«
»Warten Sie, Sir … er signalisiert uns!«
Alle drehten sich wieder zur Reling. Von der englischen Fregatte kamen Lichtsignale – ein einfacher Code: »Zieht euch zurück!«
»Der hat wahrlich Mumm, Sir!«, sagte Seward hinter Austin. »Einer gegen drei.«
»Zwei – dies ist kein Kriegsschiff.«
Plötzlich rief Lornham: »Sir! Sehen Sie dort!«
Austin ging zu ihm hinüber, wo Lornham ihm das Fernrohr reichte und in die fragliche Richtung zeigte. »Da. Ich habe es gesehen, als der Engländer uns signalisierte. Im Wasser, gleich hinter unseren Fregatten.«
Austin hob das Fernrohr und richtete es auf das dunkle Wasser. Zunächst sah er gar nichts. Ungeduldig suchte er die Wellen mit dem Fernrohr nach dem ab, was Lornham beunruhigte.
Als eines der amerikanischen Schiffe einen Warnschuss abgab, erkannte Austin es im Schein des Kanonenfeuers: Ein kleines Boot wurde an den Strand gezogen. Bevor das Licht wieder verloschen war, hatte er sowohl das rote Haar der Frau im Heck erkannt als auch die blitzenden Brillengläser von Evangeline Clemens.
»Wenden Sie das Schiff, Lornham!«, sagte er ruhig. »Wir müssen hinter die Kaperschiffe. Falls der englische Captain etwas von mir will: Ich bin an Land.«
Lornham sah ihn erschrocken an, nickte aber. »Ja, Sir.«
»Seward, Sie kommen mit mir!«
Seward war sogleich mit Feuereifer bei der Sache. »Ja, Sir, zeigen wir’s den englischen Hunden!«
»Wir wollen lediglich Miss Clemens sicher zurückholen, Seward.«
»Natürlich, Sir.« Er grinste.
Der rosa Putz bröckelte hier und da von den Gefängnismauern ab, und darunter kam roher, schmutziger Stein zutage. Die Bogentore vorn waren von Fackeln erhellt, doch die Mauern dahinter lagen in tiefster Dunkelheit.
Evangeline stapfte hinter dem älteren Matrosen her, gefolgt von Anna und dem jüngeren Seemann. Ihr Rücken schmerzte unter der schweren Last, die sie schleppte. Auf den ersten Blick schien das Gefängnis verlassen. Evangeline hatte erwartet, dass überall Wachen wären, grimmige bewaffnete Männer, die nur darauf warteten, jeden niederzuschießen, der zu fliehen versuchte. Und sie hatte auch damit gerechnet, Gefangene zu sehen, aneinandergekettet vielleicht, die mit schamvollen Gesichtern ob ihrer begangenen Missetaten durch den gepflasterten Hof schlurften. Aber hier gab es nur Stille und Finsternis.
Anna blieb an der hinteren Mauer stehen. Ein feuchter, modriger Gestank schlug ihnen entgegen, und Evangelines Stiefel sanken in dem fauligen Schlamm ein.
»Hier«, sagte Anna, »stellt die Hälfte der Ladung hierher und bringt die Lunten an!«
Vorsichtig stellte Evangeline die winzigen Kanonenkugeln, die Anna sie
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