Sturmfahrt der Liebe: Er war der König der Meere - und sie die Herrscherin seines Herzens (German Edition)
betörend. Hätte sie doch nur eine Freundin, der sie sich anvertrauen, bei der sie sich Rat holen könnte! Mr. Seward und Mrs. Milhouse waren gleichermaßen erfreut, dass sie Captain Blackwell heiraten würde. Mr. Milhouse, den Evangeline beim Frühstück kennengelernt hatte, bemerkte, dass es höchste Zeit für den Mann wäre, wieder zu heiraten. Und gewiss würde Evangelines Cousine Beth dasselbe denken. Wieso sollte eine nutzlose Jungfer nicht überglücklich sein, dass ein wohlhabender, gutaussehender Captain sie heiraten wollte?
Weil er ihr das Herz brechen würde, wenn sie es ihm schenkte, und ihre Einsamkeit sie zerbräche. Sie würde des Nachts allein wach liegen, während er durch die Welt reiste, um die Ketten abzuschütteln, die ihn ans Land fesselten.
Eine Kutsche, die von federbüschelverzierten Pferden gezogen wurde, hielt vor Austins Haus. Der Wagen sah ausgesprochen vornehm aus, wie auch der livrierte Diener, der heruntersprang und die Tür öffnete.
Evangeline erkannte den Mann, der ausstieg. Er hatte die schlichten Sachen, die ihm die Offiziere geliehen hatten, gegen einen beinahe schon übertrieben bestickten Abendrock, eine gestreifte Weste und eine hautenge Ziegenlederhose nebst glänzenden Stiefeln eingetauscht. Als er den Dreizack abnahm, spiegelte sich das Licht der untergehenden Sonne in seinem goldblonden Haar und der schwarzen Klappe auf seinem linken Auge.
Eilig griff Evangeline sich einen leichten Schal und lief aus dem Zimmer die Treppe hinunter. An der Vordertür sprang der junge Diener auf, der auf seiner Bank gedöst hatte, und hielt ihr die Tür auf.
»Sagen Sie Mrs. Milhouse, dass ich nebenan bin!«, murmelte sie. »Ich komme in ein paar Minuten zurück.«
Der Diener, der sich schläfrig die Augen rieb, nickte stumm.
Evangeline hastete den kleinen Weg hinunter. Eine sanfte Brise raschelte in den Blättern der Hecke, die sich durch den Zaun wand. Sie trat aus der Pforte der Milhouses hinaus und durch die zu Austins Haus ein. An seiner Haustür nickte kein Diener – er war wieder einmal auf einem Botengang.
Also öffnete sie sich selbst die schwere Tür und ging in die kühle Eingangshalle. Aus dem hinteren Teil des Hauses vernahm sie Stimmen – Austins und Lord Rudolphs. Als sie die weiße Doppeltür aufstieß, fand sie sich im Musikzimmer wieder. Ein Pianoforte stand vor dem Fenster und um es herum Sessel, die mit weißen Laken abgedeckt waren.
Auf der gegenüberliegenden Seite stand eine weitere Doppeltür offen. Die untergehende Sonne tauchte den Raum in ein rötliches Licht und färbte die gelben Bodenfliesen orange. Von dort kamen die Stimmen.
Evangeline huschte durch das Musikzimmer zu den offenen Türen. Hinter ihnen lag ein kleiner Salon, in dem die Laken von den Möbeln entfernt worden waren. Vor dem Kamin, in dem kein Feuer brannte, waren Sessel und ein Sofa mit Golddamastbezügen zu einem Karree aufgestellt. Am Kamin stand Mr. Seward, dessen Miene wie versteinert war, während Austin und Lord Rudolph in der Mitte des Salons standen – Austin mit bedrohlich zusammengezogenen Brauen, Lord Rudolph mit einem Ausdruck kühler Verachtung.
Beide Männer drehten sich um, als Evangeline hereinkam.
Lord Rudolph lächelte. »Evangeline! Meine Retterin.« Er schritt mit ausgestreckter Hand auf sie zu. Sie legte ihre hinein, und er küsste sie sachte auf die Finger.
»Rudy, Sie haben sich gar nicht verabschiedet!«, warf sie ihm vor. »Mr. Seward erzählte, Sie hätten das Schiff sofort verlassen, nachdem es angelegt hatte.«
Lord Rudolph ließ ihre Hand los und sah sie beschämt an. »Ich hatte … Geschäftliches, um das ich mich kümmern musste.«
»Er meint, er musste sich davonstehlen, ehe ihn jemand erkannte«, korrigierte Austin. »Er ist ein Spion.«
Lord Rudolph warf ihm einen hochmütigen Blick zu. »Das mutmaßen Sie.«
»Es ist die einzig schlüssige Erklärung für Ihre Anwesenheit in Havanna und Ihren Widerwillen, irgendjemandem Ihre Geschichte zu erzählen. Ich bezweifle, dass der Erstgeborene eines namhaften Lords sich in der Weltgeschichte herumtreibt und an seltsamen Orten verhaften lässt, weil er Zerstreuung sucht. Aber jemand wie Sie kann sich mühelos Zutritt zu den höheren Kreisen verschaffen und mitbekommen, was andere Regierungen planen. Es würde überdies erklären, warum Sie so viele Dinge wussten, die Sie nicht hätten wissen sollen.«
Mr. Seward wirkte nun fast schon mordlustig. »Ein englischer Spion? Sie hätten mich ihn
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