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Sturmherz

Sturmherz

Titel: Sturmherz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Britta Strauß
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Wunschdenken. Ich stellte mir vor, dass er mich beobachtete, verborgen unter dem Spiegel der Wellen. Oder auf einem der Felsen sitzend, die mit dem Wasser und der Nacht verschmolzen.
    „Du bist eine Spinnerin!“ Ich lachte über mich selbst. „Was kommt als nächstes? Willst du Elfen jagen oder Einhörner fangen?“
    Ich wollte verschwinden, zurückkehren in die Normalität.
    Doch dann sah ich ihn.
    Alles in mir erstarrte.
    Zögernd tauchte er aus dem Wasser auf. Zuerst sein Kopf, eingerahmt von schwarzem Haar, dann die Schultern. Sein Blick brannte auf meiner Haut, als er dem eiskalten Meer entstieg. Ich rührte mich nicht, atmete nicht. Seine Brust, sein Bauch und seine Hüfte wurden enthüllt. Es war, als materialisierte er sich aus der See, erschaffen aus Kälte und Gischt.
    Es ist wahr!, jubilierte jene Stimme in mir, die von keinerlei Dogmen tangiert wurde. Alles ist wahr . Die Märchen, die Legenden. Sie sind alle wahr.
    Mit grimmigem Blick schritt er auf mich zu, kam näher und näher, dann war er bei mir und griff mit einer ruppigen Geste nach dem Fell. Willenlos ließ ich es mir aus den Armen ziehen. Seine Nähe und seine spürbare Wut ließen jedes Wort in meiner Kehle gefrieren. Lähmten jeden Gedanken. An seinem Oberschenkel war keine Narbe zu sehen. Nichts.
    Da hast du ihn . Den letzten Beweis, dass er kein Mensch ist .
    Ich starrte zu ihm auf, aus frostigen Onyxaugen blickte er zurück.
    So gerne hätte ich ihn berührt. Ich wollte spüren, dass er wirklich war. Stattdessen gefror ich zur Salzsäule und konnte mich auch dann nicht rühren, als er sich umwandte und zum Wasser zurückkehrte.
    Verschwinde nicht! Bitte!
    Wellen umschlossen seine Beine, dann seine Hüften. Das Fell schmiegte sich wie fließendes Silber um seine Schultern.
    „Es tut mir leid“, hörte ich mich flüstern. Viel zu leise, als dass er es hätte hören können. Und doch wandte er sich um.
    „Was tut dir leid?“
    Seine Stimme zu hören stürzte mich in Konfusion. Mit offenem Mund gaffte ich ihn an. Er sprach kalt und emotionslos, frostig wie die See im Winter, doch zugleich war seine Stimme das Schönste, was ich je gehört hatte. Sie schien direkt in meine Seele einzudringen und umschmeichelte sie verführerischer als die harmonischsten Klänge. Sie fand einen Gleichtakt zu der Schwingung meines Körpers und ließ ihn schaudern. Vor Genuss. Vor Angst.
    „Was tut dir leid?“, wiederholte er. „Sag schon. Was tut dir leid?“
    „Dass ich es genommen habe.“ Ich deutete auf das Fell. Eng schmiegte es sich um seine Schultern, als sei es dabei, mit seinem Körper zu verschmelzen. Letztendlich würde ich erst vollkommen von der Existenz der Selkies überzeugt sein, wenn ich die Verwandlung sah. Ich flehte innerlich darum, dass er es tun würde. Hier vor meinen Augen, auch wenn ich keine Ahnung hatte, ob mein Verstand es würde verarbeiten können.
    „Ich weiß nicht, warum ich das getan habe“, stammelte ich. „Es tut mir leid. Ich hätte das nicht tun dürfen.“
    Die Momente, in denen er mich stumm ansah, schienen endlos zu währen.
    „Du wolltest, dass ich zu dir komme“, erklang endlich wieder seine Stimme. „Du hast die Geschichten gehört und gehofft, ich würde dir gehören, sobald du mein Fell besitzt. Sieben Jahre lang. Ich kenne die Märchen.“
    „Sind es denn welche?“
    Ein Funkeln huschte durch seine Augen. Seine Wut schien zu weichen, aber sein Blick blieb kalt. „Manche Märchen sind wahr. Ohne das Fell kann ich nicht leben. Wer es besitzt, besitzt auch eine gewisse Macht über mich. Bereust du, es mir wiedergegeben zu haben?“
    Meine Wangen glühten trotz des frostigen Windes. Beschämt blickte ich zu Boden, scharrte mit den Füßen im Kies herum und war mir einen Moment lang sicher, zu träumen. Doch als ich aufblickte und sah, wie der Junge auf mich zukam, nass von Gischt und mit perlenden Wassertropfen auf seiner Brust, begriff ich, dass all das hier real war.
    „Es tut dir wirklich leid“, raunte er hörbar verwundert. „Und du hast Angst.“
    „Ja.“
    „Warum?“
    „Weil ich es nicht verstehe.“
    Jetzt hoben sich seine Lippen zu einem Lächeln. Es war vielmehr spürbar als sichtbar. Die Beine drohten unter mir nachzugeben.
    Ihn anzusehen, tat weh. Ich hatte immer geglaubt, nichts könnte ergreifender sein, als sich im Anblick des Meeres zu verlieren.
    Doch jetzt wurde ich eines Besseren belehrt.
    Plötzlich empfand ich Neid. Auf die Freiheit, in die er sich flüchten konnte. Auf seine

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