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Sturmherz

Sturmherz

Titel: Sturmherz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Britta Strauß
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und beobachtete das rumorende Meer, während das Gefühl der Enttäuschung in mir wuchs. Zweimal sah ich Dad, wie er über die Insel streifte und mir aus der Entfernung zuwinkte. MacMuffin konnte jeden Moment mit seinem Kutter auftauchen und zum Rückzug blasen, viel Zeit blieb mir nicht mehr. Es wäre das Vernünftigste, das Fell hier zu lassen, doch ich ignorierte mein schlechtes Gewissen und verstaute den Seehundpelz in meinem Rucksack. Er war meine einzige Verbindung zu dem Jungen. Meine einzige Hoffnung darauf, all die brennenden Fragen zu beantworten.
    Ich legte den Rucksack neben mich und streckte mich auf dem Felsen aus. Das Rauschen der Wellen war ermüdend, der Wechsel aus Sonne und Wolken ließ mein Bewusstsein in einen Zustand zwischen Schlafen und Wachen abdriften.
    Ich sah sein Blut auf meinen Händen. Ich spürte sein silbern gestreiftes Haar zwischen meinen Fingern. Wie gerne hätte ich ihn noch einmal gesehen. Tief in mir glaubte ich zu spüren, dass die Märchen wahr waren.
    Vielleicht erlag ich aber auch nur meinem Wunschdenken.
    Das wahre Leben war keine Fantasy-Romanze.
    Und ich keine Heldin in einem Buch.
    ~ Louan ~
    Ich wusste nicht, welche Wut größer war. Die auf mich selbst, oder die auf das Mädchen. Ich sah sie mit geschlossenen Augen auf dem Felsen liegen. Keine zehn Schritte vor mir. Der Wind spielte in ihrem Haar, ihre Arme waren weit ausgebreitet. Bei unserer ersten Begegnung hatte ich geglaubt, sie sei anders. Ein besserer Mensch. Aber jetzt hatte sie mir das Gegenteil bewiesen, indem sie mein Fell gestohlen und in ihren Rucksack gesteckt hatte. Dazu hätte es nie kommen dürfen. Viel zu vertieft war ich in das Muschelsuchen gewesen. Viel zu unaufmerksam war ich zwischen den Felsen herumgewandert.
    Ihr gelungener Diebstahl war die Strafe für meinen eigenen Fehler.
    Offenbar kannte Mari die Geschichten über meine Art. Sie wusste, dass ich das Seehundfell brauchte, und dass ich alles tun würde, um es mir zurückzuholen.
    Langsam schlich ich näher. Der Wind spielte mit ihrem rotgoldenen Haar, Sonne schimmerte auf ihrer blassen, um die Nase herum gesprenkelten Haut. Wie zart und verletzlich sie aussah. Es würde ein Kinderspiel sein, ihr das Fell wegzunehmen. Ich wäre im Meer verschwunden, noch ehe sie begriff, was geschehen war. Doch der Anblick dieses Mädchens lähmte mich. Es fühlte sich an wie der brennende Stich eines Seeigels. Ganz ähnlich wie damals, als ich Evelyne begegnet war. Ich ertappte mich bei dem Wunsch, sie zu berühren. Ich wollte in ihre Augen sehen – wollte, dass sie mich wahrnahm. Vielleicht sogar mit mir redete. Seit vielen Jahrzehnten lebte ich hier allein, es hatte mich nie gestört. Aber jetzt stand ich hier, starrte dieses Mädchen an und wünschte mir, mich zu ihr zu setzen und mit ihr zu reden. Einfach, um ihre Stimme zu hören. Und um meine Stimme zu hören.
    Mein Instinkt protestierte dagegen. Genau wie meine Vernunft. Ich war zu unaufmerksam geworden und machte Fehler, die nie passieren durften. Gestern war ein Mensch auf diese Insel gekommen, und ich hatte ihn erst bemerkt, als der Motor seines Bootes angesprungen war. Heute war es dieses Mädchen, das mir vor Augen führte, wie verwundbar ich geworden war.
    Geduckt schlich ich auf Mari zu. Meine Muskeln zitterten vor Anspannung, der Herzschlag polterte in meiner Brust. Ein Schritt, zwei Schritte. Wenn ich mein Fell zurückbekam, war es das Beste, von dieser Insel zu verschwinden. Zwei Menschen wussten über mich Bescheid, und sie wussten, dass ich hier lebte. Das Mädchen seufzte. Es klang wie das Singen eines kleinen Vogels, wenn er schlief.
    Sie und ihr Vater waren nur hierhergekommen, weil sie sich Sorgen machten? Ich hätte gern daran geglaubt, aber wenn sie mir freundlich gesinnt war, warum steckte dann mein Fell in ihrem Rucksack?
    Der Duft ihrer Haut stieg mir in die Nase. Warm und rein. Unverfälscht. Nur ein leichter Geruch nach Seife. Fast hatte ich Mari erreicht. Ich streckte meinen Arm aus, kam näher, noch näher – bis eine im Wind flatternde Strähne ihres Haares meine Wange streifte.
    Ich erstarrte und sog unwillkürlich die Luft ein.
    Hör auf damit. Nimm einfach das Fell und verschwinde!
    Von fern ertönte das Knattern des Fischkutters. Ich sah einen grünen, langsam näherkommenden Punkt am Horizont, der auf das Nordende der Insel zustrebte.
    Mach schon! Nimm den Rucksack und verschwinde!
    In diesem Moment fuhr Mari hoch.
    Ich sah die Bewegung im Augenwinkel, drehte mich um

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