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Sturmherz

Sturmherz

Titel: Sturmherz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Britta Strauß
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Fehler begangen, die Tiergestalt abzulegen. Alles war richtig gewesen, solange ich als Seehund durch die kalten Gewässer der Arktis geschwommen war. Nahrung gab es im Überfluss, die Nächte waren eisig und klar, die Nordlichter spiegelten sich auf glitzerndem Frost. Aber als ich eines Abends den Pelz abgelegt und mich als Mensch auf einer Eisscholle schlafen gelegt hatte, war sie gekommen. Still, heimlich und erstickend. Die Einsamkeit. Nichts hatte sich geregt in jener Nacht, als ich erkannt hatte, was ich wirklich wollte. Kein Wind, keine Welle, kein Tier. Nur das gespenstische Knirschen und Stöhnen des Eises war durch die endlose, arktische Nacht gehallt, eine Vertonung dessen, was mir den Schlaf raubte und den Atem abschnürte.
    „MacMuffin hätte längst hier sein müssen“, murmelte sie schläfrig an meiner Wange. „Vielleicht ist ihm was passiert?“
    „Mach dir keine Sorgen. Ihm geht es gut.“
    „Woher weißt du das?“
    „Ich weiß es einfach. Das Meer würde mir sagen, wenn etwas nicht stimmt.“
    „Würde es das?“
    Ich sog tief ihren Duft in mich auf. „Alles hängt im Wasser zusammen. Alles fließt zusammen. Deswegen wissen die Wale tief im Süden, wann die Passagen im Norden frei sind. Deswegen finden sie immer ihren Weg.“
    Mari seufzte und räkelte sich. Ihre Hand, zart wie der Flügel einer Seeschwalbe, strich über meinen Körper. So verlockend zog die Schwärze des Schlafes an mir, dass ich mich nur halbherzig dagegen wehren konnte. Mir war so warm, so wunderbar warm. In einem glückseligen Zustand jenseits aller Schwüre und Vernunft lag ich neben ihr, roch an ihrem Haar und genoss das Tasten ihrer Finger auf meiner Haut. Sie strich über meine Schultern, berührte mein Haar. Wanderte tiefer und legte ihre Hand flach auf meine Brust. Wohlig räkelte ich mich unter ihren Berührungen. Als ich es schaffte, die Augen einen Spalt weit zu öffnen, empfing mich ihr wunderschönes Lächeln.
    „Wie war das damals?“, fragte sie leise. „Als du bei den Menschen gelebt hast?“
    Sie hätte mir jede Frage stellen können. Ganz gleich welche, auf alle hätte ich geantwortet. Die Welt dort draußen existierte nicht mehr. Nicht in diesen Momenten. Sobald die Sonne aufging, würden sie wiederkommen, die Ängste und die Vernunft. Aber noch war es Nacht. Und noch lagen wir aneinandergeschmiegt unter den Decken und hörten dem Wind zu. Die Auster der Wirklichkeit war fest verschlossen. Wir waren alleine in schützender Dunkelheit, zusammen mit einer Perle.
    „Als die Jäger meine Familie auslöschten, überlebte nicht nur ich. Wir waren zu dritt. Ciara, meine jüngere Schwester, entkam ebenfalls. Und Raer.“
    „Wer ist Raer?“
    „Ein Selkie, ungefähr in meinem Alter. Raer tat, was immer er tun wollte. Er kannte nur sein eigenes Wohl. Nach dem Massaker vergingen nicht einmal zwei Tage, bis er Anspruch auf Ciara erhob. Sie war das letzte Weibchen unserer Art, deshalb sah er es als sein Recht an, sie zu besitzen.“
    Mari schnaufte verächtlich. „Niemand darf irgendwen besitzen.“
    „Das ist wahr. Jedes Wesen will frei sein.“
    „Und was geschah dann?“
    „Er wurde immer aufdringlicher. Dass wir vor Schmerz wie gelähmt waren, interessierte ihn nicht. Er wollte meine Schwester, und als er eines Nachts versuchte, sie aus meinen Armen zu rauben, schlug ich ihn nieder, packte Ciara und schwamm mit ihr bis zur völligen Erschöpfung. Wir schwammen, bis unsere Sinne uns verließen, und als wir am Morgen in einer Bucht aufwachten, standen Florence und Jacob vor uns.“
    „Die Menschen, die euch aufgenommen haben?“
    „Ja.“ Ein genüssliches Seufzen stahl sich von meinen Lippen, als Mari sich noch enger an meinem Körper schmiegte. Die Stimme meiner Vernunft war noch wach, doch so leise, dass ich sie kaum hörte. Nein, falsch, ich hörte sie. Aber sie war mir egal. „Beide waren schon alt. Ein Leben lang hatten sie in Reichtum und Prunk gelebt, aber als ihr Ende nahte, zogen sie sich in ein einsam gelegenes Haus am Strand zurück. Sie sagten immer, in ihrer alten Welt herrschten zu viele Gesetze, um glücklich zu sein. Jeder ihrer Schritte wäre verfolgt und beurteilt, jedes Wort auf die Goldwaage gelegt worden. Florence und Jacob wussten von Anfang an, was wir waren. Aber es störte sie nicht. Wir waren ihre Kinder. Sie liebten uns und gaben uns ein neues Zuhause. Wir lernten alles aus der Menschenwelt. Eure Sprache, eure Gebräuche und Vorstellungen. Alles war sehr seltsam, aber auch

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